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Auf Schutzstreifen ums Leben gekommen

Neues Jahr, neues Glück? Wohl kaum, erreichte uns doch vor einigen Tagen die bestürzende Nachricht, dass eine Radfahrerin an der Überseeallee in der Hafencity ihr umweltfreundliches Vorankommen mit dem nie-mehr-Ankommen bezahlte. Sie, auf dem Schutzstreifen vor der Ampel Ecke Osakaallee. Ein Schutzstreifen, der sie nicht schützt, als der LKW neben ihr bei Grün nach rechts abbog. Die 34-jährige junge Mutter hatte keine Chance und starb an Ort und Stelle.

Wir sind in Gedanken bei den Trauernden und geben weiterhin alles, dass das unnötige Sterben nicht mehr billigend in Kauf genommen wird.

Seit Jahren schon weisen wir von KURS FAHRRADSTADT darauf hin, dass gerade in der doch so neu und nicht einmal fertig gebauten Hafencity die Radwege schlicht „vergessen“ wurden. Ebenso sprechen wir von Beginn an und ziemlich als die ersten über die noch heute immer größer werdende, gefährliche Fehlplanung in der Hamburger Verkehrspolitik, die sich im Verschwinden diverser älterer Radwege zugunsten der Schutz- gern auch Todesstreifen genannten Fahrbahnpinseleien an immer mehr Orten in der Stadt manifestiert.

Bei allem Wohlwollen, es wirkt geradezu zynisch, zu sehen, wie sich BVM-HH und ihr Senator dafür feiern, dass der Radverkehr in dieser Stadt von 2019 bis 2022 „um 33%“ zugenommen habe – dass zwischendurch plötzlich viel mehr Zählstellen ihre Zahlen nach und nach mit in die Auswertung fließen lassen, findet man nur bei einem 2. oder 3. Blick im Kleingedruckten.

Mit Corona war ja etwa in dieser Zeit auch noch was, oder?
Nur einen Tag vor dem Unfall jubelt Senator Tjarks über diverse Straßen in Hamburg, die nun geschützte Radwege bekommen und nennt u.a. die Max-Brauer-Allee. Wer sich auskennt weiß: Nur die kürzesten Abschnitte werden damit beglückt – selbstverständlich nur dann, wenn KFZ/LKW-Verkehr ungehindert weiter rollen – und im Zweifel auch weiter töten kann.

Es wird höchste Eisenbahn, dass sich viel mehr tut: Nach dem neuen Mobilitätsbarometer (Oktober 2022) von „Allianz pro Schiene“ bildet Hamburg in Sachen Radverkehr auf die Frage, ob ausreichend sichere Radwege zur Verfügung stehen, demnach laut repräsentativer Umfrage mit lediglich 34% Zustimmung leider nur das Schlusslicht unter den Bundesländern, abgeschlagen von Berlin und weit entfernt von Spitzenreiter Bremen mit 80%. 36% der Befragten gaben an, sich beim Radeln durch Hamburg sogar noch unsicherer zu fühlen als vor 5 Jahren.

Radfahrende Schutzengel auf Fahrradstreifen neben LKW. Hamburg City, in der Nähe vom Dammtor.
Beinahe ein halbes Jahrzehnt alt: Unser Bild zur Eröffnung der neuen Fahrradstreifen An der Verbindungsbahn.
Wider besseren Wissens hält Hamburg bis heute an ungeschützten Streifen (und Kreuzungsbereichen) selbst neben schnell fahrendem KFZ- und Lastverkehr mitten in der City fest. Warum?
Aus unserer Meldung an die Hamburger Medien vom 9. Februar 2023:
KURS FAHRRADSTADT fordert Moratorium für echte Sicherheit in der Stadt!

Wann hört das Sterben auf dem Fahrrad endlich auf?

Der tödliche Unfall einer jungen Radfahrerin in der Hafencity macht uns sprachlos und wütend. Seit Jahren machen wir und weitere Initiativen auf die Gefahren aufmerksam, denen Radfahrende in dieser Stadt auf den Straßen ausgesetzt sind. Wider besseren Wissens wird weiterhin an der Praxis ungeschützter Radstreifenführungen an Kreuzungen festgehalten. Das Risiko, dass Menschen durch Abbiegeunfälle unnötig sterben scheint dabei in Kauf genommen zu werden. Damit ist Hamburg weit entfernt von einer Vision Zero – also einer Stadt ohne Verkehrstote. Hamburgs Radfahrende brauchen sofort echten Schutz!

Statt nur nach Abbiegeassistenten zu schauen, fordern wir an allen ungeschützten Kreuzungsampeln sofort auf getrennte Grünphasen für Radverkehr und abbiegenden Kraftverkehr umzustellen.

Darüber hinaus sind Abbiegebeziehungen ohne Ampeln nicht mehr nach bisherigem Vorgehen alleinig durch Schutzstreifen auf die Fahrbahn zu verlegen. Es ist auf Städte zu schauen wie Helsinki*, die Vision Zero bereits sehr nahe kommen oder in Teilen bereits tatsächlich erreichen.

* Helsinki: Keine auf Straßen getötete Radfahrende (Polkupyöräilijät) in den Jahren 2016, 2017, 2019 und 2021. Quelle: Stadt Helsinki

We don’t compromise, we make choices

Oskari Kaupinmäki, Helsinki’s Cycling Coordinator

Helsinki reduziert das Tempo, macht Straßen enger, Autofahren unbequemer, letztlich auch um notwendige Fahrten mit dem PKW zu vereinfachen. Fuß-, Rad- und ÖPNV-Verkehr wird hinsichtlich der Sicherheit Priorität eingeräumt. Ebenso gibt es klare Pläne, was weiter erreicht werden soll, zu sehen im „Bicycle Action Plan 2020 – 2025“. Diese Herangegehensweise ist längst überfällig in Hamburg.

Leseempfehlungen:

„End road deaths: learning from Helsinki“

„Keine Verkehrstoten: Was Helsinki richtig macht“


Moin Freundinnen und Freunde des taktischen Urbanismus‘,

hier sind unsere ersten Themen im neuen Jahr:

  • Wir zeigen euch alles: Die kompletten Ergebnisse vom Grindelhof
  • CDU-Eimsbüttel findet Herz für Kinder in der Tiefgarage
  • Tactical Urbanism: KURS FAHRRADSTADT ist Teil einer äußerst interessanten Masterarbeit

Wir haben es im Dezember in unserer kurzen Vorabveröffentlichung bereits angekündigt – nun liefern wir alle Ergebnisse unserer Umfrage. Bevor wir damit starten, möchten wir noch einmal kurz auf den besonders interessanten Aspekt des Autobesitzes unter den Teilnehmenden eingehenden.

Wie schon im SUPERBÜTTEL (58% der Teilnehmenden haben Autos), gibt auch in dieser Umfrage eine Mehrheit der Teilnehmenden an, dass sie mindestens 1 Auto besitzen. Insgesamt halten allein die teilnehmenden Anwohnenden des Grindelhofviertels 731 Autos.

Die tatsächliche Mehrheit im Viertel kann aber gar kein Auto besitzen, so viele Parkplätze gibt es schlicht gar nicht, man denke nur mal an eines der i.d.R. vier- bis fünfgeschossigen Wohnhäuser mit diversen Wohnungen darin, oftmals 15 und mehr aber es gibt höchstens – wenn überhaupt – ca. fünf Parkplätze vor so einem Haus. Tiefgaragen sucht man fast überall vergeblich. Besonderheit im Grindelhof: Es kommen riesige, bewohnte Hinterhöfe in Altbaubestand hinzu – fast alles ohne Parkplätze. Insgesamt liegt die Autobesitzquote in Eimsbüttel laut Statistik Nord nur noch bei 26%!

Wie kann es sein, dass dennoch die Mehrheit der Teilnehmenden Autos besitzt? Wir können da nur Vermutungen anstellen. Womöglich spricht unsere Aktion insgesamt gesehen eher eine Schicht von Menschen an, die ein höheres Einkommen haben und sich darum auch (viele) Autos leisten können. Ohne Vorwürfe zu erheben – Menschen mit geringerem Einkommen haben wahrscheinlich eher andere Sorgen als sich mit solchen Themen zu beschäftigen oder weniger Interesse daran und sind deshalb entsprechend weniger unter den Teilnehmenden vertreten. Ein Großteil der Nicht-Autobesitzenden müsste aber gerade hier zu finden sein.

Nicht nur wir machen diese Erfahrung bereits ein zweites Mal, auch in einer weiteren Umfrage, die Anfang des Jahres 2021 im Rahmen eines Studienprojekts von der TUHH ganz in der Nähe, ebenfalls im Bezirk Eimsbüttel in Hoheluft-Ost durchgeführt wurde, ist dieses scheinbar widersprüchliche Phänomen aufgefallen. Die höchste Autobesitz-Quote auf die Fläche bezogen belegte im Jahr 2019 nämlich Hoheluft-Ost. Die Macher:innen der sehr interessanten, nicht repräsentativen Studie mit dem Titel „Autobesitz und Autofreiheit in der wachsenden Stadt Hamburg: Hintergründe, Folgen und Interventionsmöglichkeiten“, kamen auf insgesamt 496 Teilnehmende, die einen Online-Fragebogen ausfüllten. 65% von ihnen gab an, ein Auto zu besitzen. In unserer aktuellen Grindelhofumfrage gaben dies ebenfalls 65,5% an.

Kurzer Rückblick

Nachdem SPD, CDU, FDP und AfD den Vorschlag der Verwaltung abgelehnt haben, das Grindelviertel (genauer: den Bereich zwischen Schlüterstraße, Hallerstraße, Grindelallee und Moorweidenstraße) als Fahrradzone auszuweisen, haben wir von KURS FAHRRADSTADT bei CDU und SPD angefragt, was die jeweilgen Beweggründe für diese Entscheidung gewesen sind. Die CDU hat nicht reagiert, so dass wir lediglich die sozialdemokratische Seite hören konnten. So trafen wir uns online mit Herrn Altner und dem Fraktionsvorsitzenden Herrn Gottlieb.

Kurz zusammengefasst wurde uns gesagt:

  • Es gibt so viele Baustellen dort. Weitere Baustellen würde die Bevölkerung nicht akzeptieren
  • Der Neubau der Synagoge ginge vor; weitere Baumaßnahmen müssten hintangestellt werden
  • Die Umsätze der ansässigen Geschäfte wären gefährdet
  • Das Konzept „Fahrradzone“ würde den Bedürfnissen der dortigen Bevölkerung nicht gerecht. Deren Mobilitätsverhalten „sei ein anderes als zu-Fuß-gehen und Fahrradfahren“.

Nachdem wir vortrugen, dass alle (sowohl nationale als auch internationale) Studien belegen, dass Umsätze von Ladengeschäften in verkehrsberuhigten Zonen steigen statt „einzubrechen“, war man sich auf Politikerseite unsicher und musste zugeben, sich damit „im Detail noch nicht befasst“ zu haben. Unter der Rubrik „Nirgends so viele Kunden – wenn die Autos wegbleiben“, haben wir hier einiges zum Thema zusammengestellt.

Über den Stand des Synagogenneubaus haben wir anschließend recherchiert und herausgefunden, dass erst vor kurzem eine Machbarkeitsstudie veröffentlicht worden war. Es gibt weder einen konkreten Entwurf, noch Bauanfragen, von einer Baugenehmigung ganz zu schweigen. Es wird sich noch über Jahre hinziehen; das ist sicher.

Auf unsere Nachfrage schließlich, wie man das Mobilitätsverhalten der Bevölkerung ermittelt habe, gab’s leider auch nur ausweichende Antworten. Klar ist, dass bis dahin keine Befragung der Bevölkerung, in welcher Form auch immer, stattgefunden hat.

Wir haben dann bekanntermaßen selbst nachgefragt und vom 5. bis 30. November 2022 per Online-Umfrage erfahren wollen, wie die Bevölkerung hier denkt und was sie sich wünscht. Alle Hintergründe zur Umfrage findet ihr in unserem Beitrag „Eimsbüttel verliert die Fassung“.

Grundsätzliche Bemerkungen zu den Zahlen

Auf unsere Umfrage haben wir per Anschlag an jedem Hauseingang, über Aushänge in einigen Geschäften des Viertels sowie über unsere Webseite und socialmedia-Kanäle aufmerksam gemacht. Insgesamt hingen rund 500 Hinweise im Quartier und an der Uni aus. Die Resonanz hat uns überrascht.

Innerhalb von drei Tagen gab es 709 Antworten, zwei Tage später lagen bereits 909 Antworten vor. Das Thema ist den Anwohnern also wichtig. Wir haben nur vollständige Antworten gezählt. Am Ende waren es 1207 (davon 791 Anwohner). Laut offiziellen Angaben zu Einwohnerzahlen (4964 in der angedachten Fahrradzone, Geoportal, https://geoportal-hamburg.de) liegt die Beteiligung in der Anwohnerschaft bei rund 16%.

Wieso macht das nicht die Stadt?

Sie macht es – allerdings anders als wir.

Im dort verwendeten Beteiligungsverfahren (DIPAS) beantworten die Teilnehmer i.d.R. keine „Ja/Nein“-Fragen. Stattdessen können sie Beiträge erstellen, die von jedem kommentiert werden können. Die Anzahl der Beiträge schwankt sehr und liegt meistens im zweistelligen Bereich. Sämtliche Beiträge werden nach Schluss der Umfrage von den jeweiligen Behörden bewertet. Diese Bewertung gestaltet sich bei reger Beteiligung nicht einfach. Hinzu kommt, dass Wünsche, Ideen und Hinweise zwar den Weg in die Auswertungen der Beteiligungsverfahren finden, im weiteren Verlauf der Planungen oftmals dennoch nicht berücksichtigt werden, weil sie z.B. angeblich mit der „Leichtigkeit des Autoverkehrs“ nicht vereinbar seien, was wiederum natürlich das ganze Verfahren etwas fragwürdig macht. (Wellingsbütteler Landstraße: „Es sind insgesamt gut 1000 Anregungen im Zeitraum der Online-Beteiligung eingegangen, die das Planungsteam des LSBG mit in den Abwägungsprozess aufgenommen hat“).
Hier kann man sich sämtliche DIPAS-Beteiligungen ansehen.

Sind unsere Umfragezahlen repräsentativ?

Um repräsentative Ergebnisse zu erlangen, muss man vorher wissen, wie die Teilnehmerschaft zusammengesetzt ist und in welcher Hinsicht Repräsentativität abgebildet werden soll.
Dabei können beliebige Faktoren eine Rolle spielen:

  • Geschlecht
  • Religion
  • Familienstand
  • Einkommen
  • Alter
  • Beruf
  • Kinder/kinderlos
  • Migrationshintergrund/Einheimischer
  • selbständig/angestellt

Die Liste ließe sich beliebig erweitern. All diese Daten liegen uns natürlich nicht vor. Deshalb haben wir sie auch nicht abgefragt. Wir denken, dass zu intime Fragen abschrecken und die Teilnehmerzahlen niedrig hält.

Auch bei DIPAS werden derartige Dinge nicht abgefragt. Insofern sind auch diese Beteiligungen nicht repräsentativ. Wir sind der Meinung, dass die o.g. Faktoren keine Rolle spielen. Jede Stimme zählt!
Zurück zu unseren Umfrageergebnissen.

Wie setzt sich die Teilnehmerschaft zusammen?

Es haben 540 Teilnehmer aus dem Viertel angegeben, mindestens ein Auto zu besitzen. Gemessen an der offiziellen Besitzerquote von 32,7% für den Stadtteil Rotherbaum, ist die Quote in der Umfrage ungewöhnlich hoch. Eine ähnliche Diskrepanz ergab sich 2021 in unserer Umfrage zu SUPERBÜTTEL. Wir hatten seinerzeit in dem Gebiet einfach die Anzahl der abgestellten Autos gezählt und und kamen auf etwa 900. Die anhand der Befragungsergebnisse hochgerechnete Anzahl Autos war um etliches höher. Das Interesse ist bei Autobesitzern anscheinend besonders hoch. Auch in dieser Umfrage wäre somit die hochgerechnete Anzahl an Autos im gesamten Quartier (über 3.000) nur schwerlich auf den vorhandenen Parkplätzen unterzubringen.

Auch hier eigentlich nichts neues. Ein Fahrrad hat fast jeder.

Wie so oft in dieser Stadt, werden die Interessen der Gewerbetreibenden von Politikerseite besonders beachtet. Das hat unser Gespräch (s.o.) bestätigt. Gemessen am geringen Anteil der Ladenbesitzer (im Viertel gerade mal 1,7% der Teilnehmenden Anwohnenden) müssten deren Interessen auch entsprechend gewichtet werden.

Was verbindet Sie mit dem Viertel?

Das Viertel ist geprägt von der Uni, dem Abaton, vielfältiger Gastronomie und breitgefächerten Einkaufsmöglichkeiten. All das ist gut zu Fuß erreichbar. Wir wollten wissen, was die Teilnehmer in das Viertel lockt und inwieweit die Anwohner diese Möglichkeiten wahrnehmen.

Sowohl die Anwohner als auch die Besucher schätzen offensichtlich das o.g. Angebot.

Im Hinblick auf das Moblilitätsverhalten (wenig Autogebrauch) lässt sich leicht folgern: Ob für Anwohner oder Besucher – weniger Auto wird der Attraktivität des Viertels keinen Abbruch tun.

Wie ist das Mobilitätsverhalten der Anwohnerschaft?

In beiden Fällen spielt das Auto also eine untergeordnete Rolle.
Man ist eher zu Fuß oder mit dem Fahrrad unterwegs oder legt weitere Strecken mit dem gut erreichbaren ÖPNV zurück.
In der Regel geht man in der Politik jedoch davon aus, dass Autobesitzer hauptsächlich mit dem Auto unterwegs sind. Jeder Protest von Autofahrerseite wird entsprechend besonders ernst genommen. Es ist allgemein bekannt, dass Autos selten mehr als eine Stunde pro Tag bewegt werden. Auch hier wäre eine korrekte Gewichtung angesagt.

Rund ein Drittel der geplanten Fahrradzonen-Fläche wird von der Universität Hamburg belegt. Über 40.000 Studierende arbeiten hier an ihrer Zukunft. Natürlich studieren nicht alle ausschließlich an diesem Hauptstandort der Uni-HH und gewiss laufen auch nicht alle gleichzeitig zusammen im Quartier umher. Unbestritten kann aber festgehalten werden, dass sich tausende Menschen jeden Tag zusätzlich zu den Anwohnenden und allen übrigen Besuchenden des Viertels von und zur Uni bewegen. Wie von den Parteien im Ablehnungsantrag zur Fahrradzone verlangt, sollten die Belange der Studierenden und Mitarbeitenden der Uni allein aufgrund der großen Ausdehnung innerhalb der Fahrradzonen-Fläche ebenfalls erfragt werden. Wir haben eine Menge versucht, möglichst viele der Menschen, die hier arbeiten und studieren, zur Teilnahme zur bewegen. Dies ist uns leider nicht im erwünschten Maße gelungen. Dennoch: 82 Studierende (sowohl inner- als auch außerhalb des Fahrradzonengebiets lebend) haben uns ihre Mobilitätsvorlieben verraten. Die Tendenz ist klar: Sie sind auf unterschiedlichen Weisen unterwegs und nutzen dabei mehrere Möglichkeiten – allerdings kaum das Auto.

Wie ist die Stimmung in Bezug auf die Fahrradzone Grindel?

Auch wenn die Politik dem Konzept eine Absage erteilt und damit der Umsetzung einen Riegel vorgeschoben hat, interessiert uns, was die Betroffenen vom Konzept Fahrradzone halten. Schließlich sind sie bisher nicht gefragt worden.
Trotz der vorgetragenen Bedenken der Politik (Baustellen, Synagogenbau, drohender Umsatzverlust im Einzelhandel) und der hohen Autobesitzerquote unter den Teilnehmern, wünschen sich sowohl Anwohner als auch Nicht-Anwohner mehrheitlich genau das.

Entgegen den Ansichten einiger Politiker ist etlichen Geschätftsleuten klar, dass eine Fahrradzone keinen Umsatzverlust, sondern eher das Gegenteil verheißen würde.

Wir haben auch gefragt, in welcher Straße des Viertels man wohnt. Daraus ließe sich z.B. ablesen, ob es zwischen Zustimmung und Wohnort einen Zusammenhang gibt. Interessant ist, dass ausgerechnet die lauteste Straße, die Grindelallee, hier den ersten Platz belegt.

Wie auch im Fall der oben erwähnten SUPERBÜTTEL-Umfrage, wollten wir wissen, ob die Anwohnenden mit dem Gedanken spielen, ihr Auto abzuschaffen. Sie tun es – und wie!

Es zeigt, dass die Bereitschaft, auf’s Auto zu verzichten, offensichtlich nicht ungewöhnlich ist.
136 Autos weniger hieße z.B. Rutschbahn und Dillstraße autofrei!

Was sind die Gründe für die Zustimmung?

Es interessierte uns, was die Beweggründe der Menschen waren, für die Fahrradzone zu stimmen. Wir sind erstaunt darüber, dass selbst in diesem Gebiet, schon seit langem mit Fahrradstraßen ausgestattet und oft mit nur langsam voran kommenden Kraftverkehr im Grindelhof, noch immer der Wunsch nach mehr Sicherheit beim Radfahren einer der Hauptgründe für die gewünschte Veränderung ist. Dieser Wunsch spricht Bände – siehe ganz oben die ersten Zeilen….

Insgesamt ist aber auch klar:
Die Menschen wissen, welche Vorteile die Mobilitätswende ihnen bringen kann: Mehr Sicherheit, Aufenthaltsqualität, Klimaschutz und Ruhe werden beinahe im gleichen Atemzug genannt.
Genauso ist es. Der Aspekt, um den es geht, nennt sich ganz einfach Lebensqualität.

Fazit

Die Anwohner des Grindelviertels wünschen sich im Gegensatz zu den o.g. Parteien eine Veränderung des öffentlichen Raumes vor ihrer Haustür und würden dabei den Weg Fahrradzone gehen.

Damit liegen sie auf der Linie des Senats und dessen Vorhaben, Hamburg zur Fahrradstadt zu machen. Die Planung liegt in den Schubladen der Bezirksverwaltung.
Hoffen wir, dass die Politiker sich ihrer Verantwortung bewusst sind und den Mut finden, nun erneut die richtigen Anträge zu schreiben.


CDU in Eimsbüttel jetzt mit Herz für Kinder


Darüber, dass die Versenkung der Fahrradzone am Grindel in weiten Teilen mit dem Agieren der CDU in Eimsbüttel zusammenhängt, haben wir in unseren vorhergehenden Beiträgen Ende letzten Jahres ausführlich geschrieben.

Von der Öffentlichkeit weitestgehend unbemerkt blieb allerdings, dass dieselbe Partei auch versucht hat, die Axt am Planungsprozess für die Umgestaltung des Eppendorfer Wegs anzulegen. Wie bereits in Medien berichtet, hat der LSBG (Landesbetrieb Straßen, Brücken und Gewässer) den im Vorwege stattfindenden Beteiligungsprozess organisiert und auch präsentiert. Dazu sind drei „Teile“ (Fokusgruppen) vorgestellt worden, mit denen die Bedürfnisse möglichst vieler Betroffener berücksichtigt werden sollen. So befasst sich ein Teil explizit mit den erwachsenen Bewohner:innen (nennen wir es Teil A) des Quartiers, einer mit Teens aufwärts (Teil B) und ein weiterer mit Kindern bis 12 Jahren (Teil C), die hier leben. Dazu sind Kooperationen mit anliegenden Schulen angedacht, indem mittels Planungs- und Zukunftswerkstätten in jeweils drei Einheiten (verschiedene Phasen) die jeweiligen Sichtweisen und Wünsche auf und für die Umgestaltung herausgearbeitet werden sollen. Junge Menschen sollen also ein gewichtiges Wörtchen mitreden dürfen – und was diese sich vermutlich vorstellen können, ging der CDU offenbar gehörig gegen den Strich. Man stelle sich vor, Minderjährige werden einfach gefragt, um ihre Meinung gebeten und dann vielleicht sogar erhört – wo kommen wir denn da hin?

Entsprechend wurde ein Antrag in die Bezirksversammlung eingebracht, der seitenlang diverse Mängel des geplanten Beteiligungsformats aufzählte. Haarklein erfährt man hier, dass, wenn Minderjährige gehört werden sollten, dies auf keinen Fall durch das LSBG getan werde dürfe, nur bezirkliche Einrichtungen dürften dies tun und selbst dort lauern noch diverse Fallstricke, die es zu beachten gebe. Das geht los beim Kinderschutzrecht und endet noch lange nicht mit beschränkt geschäftsfähigen Kindern, Einverständniserklärungen der Eltern und deren Rechte, die andernfalls nach Grundgesetz verletzt werden oder sie gar Objekte staatlichen Handelns werden könnten und wenn, dann muss das natürlich im Einklang mit Lehrplänen sein und blablabla.
Plötzlich entdeckt die CDU ihr Herz für Kinder – um gerade deren Interessen abzuwürgen, ehe überhaupt auch nur ein einziges Tönchen gesagt wurde. Lange befasst sich der Antrag also mit Details zu Partizipationsverfahren im Zusammenspiel mit Kindern, um fast ganz am Ende auf des Pudels Kern zu kommen: Es geht letztlich nur um schnödes Parkplätze-retten. Kinder? Ach was…..

Als Forderung wird formuliert, den Beteiligungsprozess zu größten Teilen, also in den Fokusgruppen-Teilen B und C (Kinder und Jugendliche) mit sofortiger Wirkung – ganz in Fahrradzonen-Versenkungsmanier – einzustellen, des weiteren sollen alle übrigen Planungen für den Eppendorfer Weg so lange ausgesetzt werden, bis es konkrete Pläne für mindestens eine neue Quartiersgarage gäbe, die einen entsprechenden Ausgleich für wegfallende Parkflächen schaffen würde(n). Quartiersgaragen, die es in dieser Form, Zahl und Größe vermutlich niemals wird geben können, jedenfalls nicht hier – das weiß natürlich auch die CDU. Dieser Antrag wurde zum Glück auf der Bezirksversammlung abgelehnt – auch mit den Stimmen der SPD.
Hier den Antrag mit Herz für Kinder downloaden

Wir waren nur noch sprachlos, als wir davon erfuhren. Kinder vorschicken, um deren Zukunft zu verbauen, so ungeschminkt muss man es als das bezeichnen, was es ist: Eine einfach nur noch unterirdische, an Geschmacklosigkeit kaum zu überbietende Sauerei. Passend dazu organisierte die Partei eine Infoveranstaltung zum Thema und ruft scheinheilig zur „Versöhnung zwischen Fußgängern, Fahrrad und Auto“ auf, auf der nicht nur der Andrang, sondern mehr noch der Jammer groß war. Zwei aus dem KURS FAHRRADSTADT Team taten sich das Theater an und berichteten unisono, sie wähnten sich beinahe auf einer Veranstaltung mit blauem Alternativen-Feeling; verschanzt im hinterletzten Winkel einer düsteren Tiefgarage, daran änderte auch nichts, dass alles ganz oben im lichten Saal im Haus des Sports am Schlump stattfand.

Wem auch nur ein winziges kleines Bisschen daran liegt, dass es im Bezirk Eimsbüttel und darüber hinaus voran geht mit der Mobilitätswende, einer lebenswerteren Stadt, Gesundheits- und Umweltschutz, wer von einer wie auch immer gearteten etwas besseren Zukunft träumt, sollte sich nächstes Mal genau überlegen, ob diese Partei weiterhin eine wählbare Option sein kann. Es ist nicht lange her, da wollten die Eimsbütteler CDUler:innen unseren Bezirk zum „17 SDG“-Bezirk machen!
Hamburger Medien sollten sich fragen, wie es sein kann, dass solch ein skandalöses Agieren völlig unterhalb des öffentlichen Radars bleiben kann?

CDU Eimsbüttel Einladung zu Diskussionsveranstaltung rund um Vernunft im Verkehr. Und Versöhnung im Verkehr. Man sieht aber nur Autos und Asphalt, keine Fußgänger oder Radfahrenden auf dem Plakat.
Keine Spur „Versöhnung“ ist hinter den Herren auf dem Plakat zu finden. Oder sehen wir nicht richtig?

Tactical Urbanism:

Tactitical was? Zugegeben, von diesem Begriff hatten wir auch kaum etwas mitbekommen, bis wir im April letzten Jahres eine Mail von Jasmin Hiller bekamen. Darin fragte uns die Masterstudentin des Fachbreichs „Resource Efficiency in Architecture and Planning“ (REAP) an der HafenCity Universität Hamburg (HCU), ob wir ihr als Initiatve KURS FAHRRADSTADT für ein Interview für Ihre Abschlussarbeit, die Masterthesis, zur Verfügung stehen würden.

Jasmins Thesis beschäftigt sich explizit mit taktischem Urbanismus in Hamburg, deren Potentiale und all das zudem mit Schwerpunkt auf die Mobilitätswende – selbstverständlich wollten wir sie dabei gerne unterstützen! Michael aus unserem Team stand ihr Rede und Antwort.

Was genau meint tactical urbanism?
Im Grunde handelt es sich um eine Vorgehensweise mit eher experimentellem Charakter, oftmals günstig und schnell umgesetzten Ideen und Maßnahmen, mittels denen erprobt wird, wie Dinge ankommen, angenommen werden und sich entwickeln können und was es bräuchte, um ggf. nachzubessern.
Etwas weiter gedacht handelt es sich dabei um eine Art Kommunikationstool, auf welches Städte zurückgreifen können, um Transformationsprozesse erfolgreich beschleunigen zu können.
Dabei ist klassische Bürgerbeteiligung, wie sie auch von Ämtern betrieben wird, nur ein kleiner Teil des Ganzen. Vielmehr setzt dies ebenso voraus, Wege zu finden, überhaupt zunächst einen kreativen Nährboden für sich entfaltendes Interesse und Engagement der urbanen Zivilgesellschaft zu bereiten. Wenn diese aktiver wird, lässt sich auf vielfältige Weise auf diese Ressourcen zurückgreifen, z.B. indem die Zivilgesellschaft, Verbände oder eben auch Initiativen be(„ob“)achtet, eher eingebunden und somit deren Wissen, Ideen, Fähigkeiten oder auch oftmals bereits vorhandenes Potenzial aktiv „abgegriffen“ und auf diese Weise nutzbar gemacht wird. Gerade sie sind die Experten, die „ihre Hood“, ihre Straßen am besten kennen. Bisher werden diese zivilen Stakeholder stattdessen eher „nur“ informiert, angehört oder eben beteiligt, wenn mehr oder weniger längst klar ist, was gemacht werden soll. Gleiches gilt natürlich auch für das Zusammenspiel von Politik, Fachbehörden und weiteren Stakeholdern. Vor allem in Städten im Ausland wird mit tactical urbanism als Tool bereits erfolgreich gearbeitet, wie beispielsweise im belgischen Gent, in New York City, San Francisco oder in Neuseeland. In Teilen geschieht dies auch in Hamburg, z.B. indem Pop-up Bikelanes provisorisch angelegt werden. Erst günstig experimentieren, dann investieren – genau das, was KURS FAHRRADSTADT seit Jahren propagiert – so könnte man das auch beschreiben. Was in Hamburg fehlt, ist vor allem das weitere Verständnis des tactital urbanism – genau hier setzt Jasmin ihre Thesis an.

Was braucht es, um in Hamburg das volle Potential dieser Taktik zu entfalten, wie ist der Stand, was sind die Hürden, wo liegen Probleme? Dazu wurden diverse Stakeholder von Jasmin interviewt, u.a. von Mitarbeitern in Planungsbüros, Behörden wie Bezirksamt oder Polizei, Vertretern von Verbänden oder Initiativen. KURS FAHRRADSTADT ist als eine von zwei Initiativen mittendrin.

Ihre Arbeit „Tactical Urbanism and its potential to foster mobility transition on neighborhood level. Development of an institutional program that facilitates citizen-led, temporary projects in Hamburg, Germany“, zu deutsch „Taktischer Urbanismus und sein Potenzial zur Förderung der Mobilitätswende auf Quartiersebene. Entwicklung eines institutionellen Programms, das bürgerinitiierte, temporäre Projekte in Hamburg, Deutschland, ermöglicht“, wurde am am 2. Januar 2023 auf https://repos.hcu-hamburg.de/handle/hcu/854 veröffentlicht.

Wir danken Jasmin für ihr Interesse an uns und freuen uns sehr, dass wir euch ihre Thesis hier auf KURS FAHRRADSTADT direkt zum Download anbieten dürfen. Eine spannende Arbeit, die teils ungewohnte Einblicke gibt und am Ende mit einem Lösungsvorschlag aufwartet, wie Hamburg das Tool tactical urbanism ihrer Ansicht nach am sinnvollsten weiter ausbauen und umsetzen kann. Möge Jasmins umfangreiche Arbeit unserer Stadt den entscheidenden Boost geben, nun mit der Transformation in die Vollen zu gehen!

© Jasmin Hiller, 2023

Was die Stadt kann, können wir so ähnlich schon lange: Bingo spielen!

Vielen Dank, Achim!

Wenn es doch alles nicht so bitter wäre, würde es zugegebenermaßen noch mehr Spaß bringen. Die Welt ist, wie sie ist – versuchen wir also, das Beste draus zu machen! Wir bleiben am Ball im Einsatz für eine fahrrad- und menschengerechtere Stadt.

Zum Schluss kurz
noch dieser Hinweis:
Kennt ihr schon unser neues „Wissenspaket?“


Wir freuen uns, euch bald auf unseren Seiten wiederzusehen und wünschen euch einen guten Start ins Frühjahr – bleibt stabil!

Herzlichst,
euer KURS FAHRRADSTADT Team


Eine Antwort auf „Auf Schutzstreifen ums Leben gekommen“

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