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Kiffen verboten, Rasen erlaubt

In Hamburg-Eimsbüttel, bekannt als familienfreundlicher und kinderreicher Stadtteil, führen die zweispurige Lappenbergsallee und ihre Verlängerung, der Langenfelder Damm, direkt am SUPERBÜTTEL vorbei. Dieser Straßenzug bildet das nordwestliche Zentrum eines quirligen und lebendigen Geschäft- und Wohnquartiers. Hier gibt es Kindertagesstätten, viele Geschäfte und gastronomische Betriebe, zudem ein Alten- und Seniorenheim, zwei Spielplätze, einen Bouleplatz, eine Kirche mit Jugendzentrum, einen Kindersecondhandshop, eine Mütterberatungsstelle, eine Kinderküche und – noch recht neu – nun auch den autofreien Parnass-Platz.

Menschen flanieren von einer zur anderen Straßenseite, Kinder laufen herum und viele beobachten das Treiben bei einer Tasse Kaffee auf den gastronomischen Außenflächen. Mit ihren alten Bäumen und der Jugenstilbebauung strahlt die Lappenbergsallee ein ganz besonderes kosmopolitisches Flair aus. Doch bis vor Kurzem durften Autos und LKW hier mit 50 km/h durchfahren. Nach zähem Kampf wurde ein stückhaftes und verwirrendes Tempo 30 Puzzle vor sieben Kitas auf die Straße gelegt – eine letzte Kita geht bisher leer aus und das nur deshalb, weil ihr Ausgang auf den Innenhof geht, obwohl die Kinder natürlich trotzdem Richtung Straße laufen. Eine besondere Posse, an der sich ablesen lässt, wie sehr der fließende Verkehr in Hamburg weiterhin die Oberhand hat. Doch schauen wir mal genauer hin was passiert ist:

In diversen Neben- und Parallelstraßen, befinden sich weitere Kitas, Spielplätze, eine Grundschule, ein gut besuchter Wochenmarkt. Tausende Menschen leben hier, deshalb fährt auch der Metrobus durch das Quartier und hält an insgesamt 4 Haltestellen im Straßenverlauf. Die Veloroute 2, die über einen Teil vom Lagenfelder Damm und der Lappenbergsallee führt, ist eine der größeren Fahrradrouten, die das Basisnetz des Radverkehrs in Hamburg bilden sollen.

Gab es nicht eine Änderung der Straßenverkehrsordnung, die insbesondere vor Kitas und sozialen Einrichtungen eine Geschwindigkeitsreduzierung auf Tempo 30 erleichtern sollte? Es gibt wahrscheinlich kaum vergleichbare Straßen in Hamburg, die auf so kurzer Distanz, auf gerade einmal 1,5 Kilometern Länge, so viele Kitas beheimaten wie hier: Beginnend in der Lappenbergsallee vom Eimsbütteler Marktplatz / Heußweg kommend liegen das Kinderhaus Fledermaus, Die Sonnenkinder Kita, Vier Jahreszeiten, Kind + Kunst, Lokomotive, Die Früchtchen, Die Minimeter und die Kita Langenfelder Damm, acht insgesamt!

Bei all dem durfte selbstverständlich bis vor kurzem mit Tempo 50 durch diese enge und stark belebte Straße gebrettert werden. Und es gibt wohl nur wenige Straßen in Hamburg, an denen sich so wunderbar wie hier ablesen lässt, warum es so dermaßen stockt mit der Mobilitätswende, von der doch immer so viel die Rede ist. Denn inzwischen, nach sieben Jahren, die ins Land gezogen sind, kann man nun sagen:

Für uns von KURS FAHRRADSTADT ist klar, dass sich hier etwas ändern musste und muss – ganz abgesehen von den ersten Erfolgen, nämlich der inzwischen leider nur beinahe vollständigen Geschwindigkeitsbegrenzung auf dieser Kita-Perlenschnur. Deshalb haben wir im Zuge der SUPERBÜTTEL-Vision als eine der dringendsten Maßnahmen vorgeschlagen, die Lappenbergsallee auf Höhe der Apostelkirche für den Auto- und LKW-Verkehr ganz dicht zu machen. Nur Busse, Einsatzfahrzeuge sowie Radverkehr sollten diese Stelle passieren dürfen und versenkbare Poller für die Auslese sorgen, zusätzlich zur Kernforderung, hier überall und durchgängig maximal Tempo 30 einzuführen. Damit wäre auf einem Schlag sehr vieles gewonnen: Weniger Verkehr, weniger Lärm, weniger Abgase, mehr Ruhe und vor allem deutlich mehr Sicherheit.

Unser Vorschlag im Rahmen des SUPERBÜTTEL-Konzepts: Die Sperrung der Lappenbergsallee auf Höhe der Apostelkirche. Mehr Infos dazu auf unseren SUPERBÜTTEL-Seiten.

Die SPD war die erste Partei im Bezirk, die, nachdem das SUPERBÜTTEL begonnen hatte, hohe Wellen zu schlagen, einen Antrag einbrachte, der zwar keine Komplettsperrung der Straße vorsah, aber immerhin die Prüfung einer Einbahnstraße im Anfangsbereich der Lappenbergsallee sowie die durchgehende Anordnung von Tempo 30 auf beiden Straßen (siehe Drucksache 21-2424). In der Eimsbütteler Bezirksversammlung wurde der Antrag einige Monate nach der SUPERBÜTTEL-Präsentation erstmals am 18. Oktober 2021 mehrheitlich angenommen… Doch die Mühlen mahlen langsam im Polizeikommissariat.

Lange vor SUPERBÜTTEL, begann Fabian sich ebenfalls mit diesen Straßen zu beschäftigen. Damals ging sein Sohn in eine der Kitas. Für den engagierten Vater war schnell klar, dass der viel zu schnell vorbeirauschende Verkehr verlangsamt werden muss. Er beschloss im März 2017, den vom adfc vorgeschlagenen Weg über Lärmschutz und Luftverschmutzung zu gehen, um das Ziel, Tempo 30 einzuführen, zu erreichen. Damals waren dies die einzigen Hebel, die es gab, solange nicht mindestens ein Mensch an exakt diesen Orten durch einen Unfall ums Leben gekommen war. Es klingt zynisch, doch erst dann liegt eine erhöhte Gefährdungslage vor. 2019 klagte er schließlich vor dem Verwaltungsgericht, da ihn die Ablehnungsgründe nicht überzeugten. Sieben Jahre später – im Jahr 2024 hat sein Sohn längst nicht nur die Kita, sondern auch die Grundschule verlassen – fand man wohl doch noch ein paar Tempo 30-Schilder und diese wurden (zusätzlich zu einigen wenigen bereits im Jahr zuvor eingerichteten Tempo 30-Teilbereichen) endlich aufgestellt. Sieben Jahre, in denen man unglaublich viel lernen konnte, wie das in Hamburg funktioniert, das Zusammen- oder besser, das Nicht-Zusammenspiel aus Politik, Verwaltung und Polizei. Letztere ist in dieser Stadt nicht nur für die Einhaltung der Verkehrsregeln, sondern auch für deren Anordnung zuständig. Und eben auch sieben Jahre, die trotzdem nicht reichen, um auch die letzte Kita am Langenfelder Damm, die „Kita Langenfelder Damm“ in gleichnamiger Straße Nummer 97, an der die Autos wie eh und je ungebremst vorbeirasen dürfen, einzubeziehen. Dass das so ist, hat einen Grund: die Tür.

Denn die Tür befindet sich nicht direkt vorne an der Straße, sondern hinter dem Torbogen auf der Innenseite des Hauses, im Hof. Die Tür direkt zur Straße ist genau deshalb dauerhaft verschlossen, weil es viel zu gefährlich ist, einen Eingang in unmittelbarer Nähe der Straße zu haben. Damit ist in in der Sichtweise der Polizei der Anspruch auf Tempo 30 verwirkt, da der Eingang an der Hausseite ausreichend sicher ist. Obwohl alle Kinder nur von der Straße aus in diesen Torbogen zum Eingang gelangen, obwohl sie genauso wie auch alle anderen Kitakinder im Langenfelder Damm hier vorher auf dem Gehweg der selben Straße stehen müssen, obwohl viele Räumlichkeiten der Kita mit Fensterfront bis an die Straße heranreichen, die Kinder die Autos durch sie rasen sehen und ihre Abgase einatmen müssen, wenn die Fenster geöffnet sind, soll es hier weiterhin kein Tempo 30 geben. Und das, obwohl keine der anderen sieben Kitas so nahe (in Metern) an der Bordsteinkante der Straße liegt.

Fabian ist nach dem jahrelangen Kampf mit der Bürokratie fassungslos: „Da braucht es schon ein geschultes Auge, um solch einen Verhinderungsgrund zu finden“. Wundern tut es ihn nicht, denn erlebt haben wir von KURS FAHRRADSTADT inzwischen sehr viel, längst nicht nur hier. Wir haben uns deshalb entschieden, die Sache mit diesem Tempo 50-Restfitzelchen auf’s Tapet zu heben.

Um wenigstens ansatzweise zu verstehen, wie es sein kann, dass die untere Verkehrsbehörde in Hamburg überhaupt zu solchen Einschätzungen und in Folge dessen zu entsprechend negativen Entscheidungen kommt, können wir auf einen früheren Beitrag hinweisen, wo wir uns dieses bundesweit einmalige Phänomen, ganz genau ansehen („Verkehrspolitik in Hamburg“). Um jedoch von der Theorie zur Praxis zur kommen, blättern wir nun die vergangenen sieben Jahre von Fabians Kampf um Tempo 30 in Langenfelder Damm und Lappenbergsallee zurück, denn diese Straßen führen uns zu den abenteuerlichsten Ausreden, weshalb nicht geht, was aus Sicht der Polizei viel zu lange (und in den meisten Fällen noch immer) nicht sein darf.

Am 15. März 2017 nimmt die Geschichte damals ihren Anfang, als Fabian seinen Antrag an die zuständige untere Verkehrsbehörde sendet, in diesem Fall an das Polizeikommissariat 23 (PK23) in der Troplowitzsstraße in Hoheluft / Lokstedt. Darin beantragt er bei der unteren Verkehrsbehörde die Ausweisung von Tempo 30 vor der Kita, in die sein Sohn damals ging. Der praktische Teil des Antrages war eine Art vorgefertigtes Blankoformschreiben vom adfc. Mittels zu hoher Lärm- und Schadstoffwerte, die belegt werden konnten, sollte demnach nach §45 StVO Absatz 1 Satz 2 Nummer 3 Tempo 30 als Gegenmaßnahme eingeführt werden. Ein paar Monate später kam ein Kostenbescheid; 360 Euro sollte Fabian zahlen, wenn sein Antrag bearbeitet werden soll. Zwei Jahre später, als fast alles längst vergessen war, kamen plötzlich Anfang Mai 2019 die Antworten.

In der Zwischenzeit hatten sich die Beamten alle Mühe gegeben, diverse Gründe zu nennen, warum Tempo 30 nicht in Frage käme und deshalb auch nicht angeordnet werden könne. Auf den ersten eineinhalb Seiten wird festgehalten, dass Fabian tatsächlich die Befugnis hatte, die Klage für seinen kleinen Sohn einzureichen, weil dieser ja noch nicht geschäftstüchtig ist. Ok. Dann wird es langsam spannender. Es werden die durchfahrenden Fahrzeuge am Tag benannt (7.200), fünf Fußgängerampeln, keine Abbiegestreifen, ein Fahrstreifen je Richtung. Jetzt kommt der erste Grund, der gegen Tempo 30 spricht, auch wenn es so nicht wirklich gesagt wird: Diese Straßen gelten als „Bezirksstraße im Bezirk Eimsbüttel“ (aha), womit sie eine wichtige Alternativroute für die rund 300 Meter entfernt parallel verlaufende Bundesstraße 4, der 6-spurigen Kieler Straße ist.

Mit Lärm geht es weiter: Man erfährt, dass es verschiedene Möglichkeiten gibt, an denen sich die Verkehrsbehörde orientieren könne, bevor sie eingreifende Ordnungsmaßnahmen anordnen müsse und es gibt zudem verschiedene Richtlinien für Lärmschutz, so beispielsweise für Bestands- und Neubaustraßen. Bei Bestandsstraßen könne man daher nichts machen, weil die Lärmwerte eben nach Richtlinie so und so mit 68 dB(A) tagsüber und 60 dB(A) nachts noch locker im grünen Bereich lägen, denn diese „Richtlinien für straßenverkehrsrechtliche Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung vor Lärm“ sehen Handlungsbedarf erstaunlicherweise erst ab 70 dB(A) tagsüber und 60 dB(A) nachts – passt also alles.

Bleibt noch die Luft, die auch nicht besser wird, bei der Polizei hingegen schon. Denn sie entdeckt, dass die ursprünglich von der Umweltbehörde angegebenen Werte (auf die sich Fabian beruft) keine Jahresmittelwerte sind – und schon sieht die Welt wieder ganz anders aus. Ferner werden ganze 28 Punkte aufgeführt, die die Luft in der Stadt irgendwann sauberer machen sollen in den nächsten Jahren, das beginnt mit einer „Service und Kommunikations-Kampagne für den Radverkehr“ und endet mit einem „Masterplan Ladeinfrastruktur“.

Neben noch einigen weiteren Dingen zur Sicherheit, keine Gefährdungslage (nur „55 Unfälle in den vergangenen 3 Jahren, 13 Verletzte“, „vermehrte Rotlichtverstöße durch Fahrzeugführer sind nicht bekannt“ (komisch, wir erleben sie ständig) kommt nun auch noch das „Totschlagargument“ Bus ins Spiel. Denn hier fährt der Metrobus alle 5 Minuten und weil der Bus in Hamburg beschleunigt werden soll, weil davon letztlich alle etwas haben, könne ein Tempo 30 nicht eingerichtet werden. Nach unserem Empfinden kann der Bus hier gar nicht schnell durchkommen: Es gibt mindestens vier Haltestellen und dazwischen vier Fußgängerampeln sowie einen Kreisel mit Zebrastreifen. Kurz: Es wird jede Menge an Gegengründen aufgeführt – nur eines kommt überhaupt nicht vor:
Die, um die es geht – die Kinder.

Fabian hingegen ist nun erst recht entschlossen, bis zum Äußersten zu gehen. Zusammen mit einem Anwalt reicht er Anfang Mai 2019 eine Klage gegen die Stadt Hamburg ein. Dieses Mal muss er nicht lange auf die Antwort warten. Schon Anfang Juli hat er sie und liest teilweise die gleichen Sätze wie sie schon in der vorhergegangenen Ablehnung der Klage vorgekommen waren. Offenbar glauben die Beamten der unteren Verkehrsbehörde, also die Polizisten vom PK23 inzwischen, dass sie sich bisher nicht deutlich genug zu verstehen gegeben haben, weshalb sie dieses Mal noch penibler auf einige Ablehnungsgründe eingehen:

Zum Thema Lärm fällt ihnen nun ein, dass das durchschnittliche Verkehrstempo in beiden Straßen aufgrund mehrerer Fußgängerampeln schon heute bei eher 40 Km/h läge und eine weitere Reduzierung der Geschwindigkeit durch „Anordnung von Tempo 30 würde vielmehr aller Voraussicht nach nur eine minimale – für das menschliche Gehirn kaum merkliche – Reduzierung des Lärms mit sich bringen.“
Und nun kommt’s:

Dies kann ferner auch angenommen werden, da sich ein Teil der Fahrzeugführer über eine zulässige Höchstgeschwindigkeit von 30 Km/h hinwegsetzen würde“.

Polizei Hamburg

„Die Polizei versteckt sich“, wie Fabian es ausdrückt, „erneut hinter Paragrafen“ und das Leben geht weiter: Inzwischen hat das SUPERBÜTTEL das Licht der Welt erblickt und die Parteien arbeiten an ihren ersten Anträgen. Nach der SPD reichen nun auch die Grünen mit der damals noch zusammen regierenden CDU im Dezember 2021 einen weiteren Antrag ein.

Inzwischen gab es ein paar kleine Novellierungen in der StVO, so können nun beispielsweise vor Schulen, Kitas und Seniorenheimen Tempo-30-Strecken ausgewiesen werden. Natürlich ist das kein Selbstgänger – wo kämen wir hin! – sondern unterliegt weiterhin allen Einzelfallprüfungen vor Ort, die wiederum zunächst überhaupt von jemanden ins Rollen gebracht werden müssen. Wie kompliziert alles gemacht wird, kann man hier wunderbar nachlesen.

Dann passierte etwas Wundersames: Unmittelbar angrenzend an die Lappenbergsallee tauchten vor einer Kita in der benachbarten Schwenckestraße irgendwann Tempo 30 Schilder auf, jedoch lediglich nur wenige Meter vor bis hinter der Einrichtung. Allerdings: Hier fährt die gleiche Metrobuslinie wie im Langenfelder Damm und Lappenbergsallee, wo eine solche Anordnung gerade wegen dem Bus nicht möglich sein soll. Fabian fiel es auf und er begann, die Eimsbütteler Parteien zu überzeugen, dass sie erneut politisch tätig werden sollten, was sie tatsächlich taten. Das Ergebnis war die Drucksache 21-3942 vom 6. Juni 2023, in der am 29. Juni 2023 folgender Beschluss ergangen war:

Die Bezirksversammlung spricht sich erneut dafür aus, zur Verkehrsberuhigung/Vermeidung von Durchgangsverkehr, Erhöhung der Sicherheit und Steigerung der Aufenthaltsqualität im Quartier, auf der gesamten Länge der Lappenbergsallee und des Langenfelder Damms einheitliche Geschwindigkeitsreduzierung zu beschließen. Dies ist vor allem vor dem Hintergrund der vielen bestehenden Kindertagesstätten geboten

Der Vorsitzende der Bezirksversammlung wird gebeten, sich bei der Behörde für Inneres und Sport (BIS (in Form der unteren Verkehrsbehörde, der Polizei)) sowie der Behörde für Verkehr und Mobilitätswende (BVM) dafür einzusetzen, dass auf dem gesamten Streckenabschnitt der Lappenbergsallee und des Langenfelder Damms von der Kreuzung Lappenbergsallee/Heußweg bis zur Kreuzung Langenfelder Damm/Kieler Straße eine durchgehende Tempo 30 Strecke anzuordnen ist.“

Auf einmal ist keine Rede mehr von der „Gewährleistung eines militärischen Grundnetzes“, eine Aufgabe, die diesen Straßen bisher ebenfalls zugedacht war. Ob man vielleicht zu der Einsicht gekommen ist, dass es im Kriegsfall vielleicht doch nicht ganz so wichtig ist, ob sich Panzer an Tempo 30 halten? Noch etwas Interessantes, inzwischen beinahe völlig aus dem Blick Geratenem können wir dieser Stellungnahme entnehmen:
„Der Abschnitt Lappenbergsallee stadtauswärts zwischen Heußweg und Schwenckestraße ist im Hamburg-Takt-Zielnetz 2030 nicht für Busverkehr vorgesehen. Darüber hinaus lassen die dortigen Straßeneinengungen einen regelmäßigen Buslinienverkehr auch in Zukunft nicht zu. Die Einführung einer Durchgangssperre, zur Vermeidung von Ausweichverkehren der Kieler Straße, hätte demnach keine negativen Auswirkungen auf den Busverkehr.“

Was ist plötzlich los? Woher der Sinneswandel?
Erneut möchten wir hier auf unsere Idee der Individualverkehr-Sperrung vor der Apostelkirche hinweisen, die nur Busse passieren lässt. Wenn diese fahren können, scheint die untere Verkehrsbehörde nun kein Problem mehr darin zu sehen! Schauen wir noch einmal genauer hin:

Die Antwort der Polizei bezieht sich zwar auf die ursprünglich geforderte Einbahnstraßenregelung Richtung stadteinwärts, geht aber im Grunde weit darüber hinaus: „Die Einführung einer Durchgangssperre (von der bisher nicht die Rede war!), zur Vermeidung von Ausweichverkehren der Kieler Straße, hätte demnach keine negativen Auswirkungen auf den Busverkehr.“

Allerdings: Eine Einbahnstraße würde vermutlich die Möglichkeit verbauen, Busse ggf. wie bisher über das vordere Ende der Lappenbergsallee umzuleiten. Eine Komplettsperrung bei der Apostelkirche würde dagegen alle Busse passieren lassen, auch umgeleitete. Warum also nicht gleich den großen und damit effektiven Wurf, wenn selbst die untere Verkehrsbehörde in der Tatsache einer Durchgangssperre kein Problem sieht?
Also ran an neue Anträge für eine vollwertige Durchfahrtsperre mit Poller-Anlage an der Apostelkirche, liebe Politikerinnen und Politiker in Eimsbüttel!

Gerne weisen wir an dieser Stelle noch einmal auf die von uns im Rahmen des SUPERBÜTTELs vorgeschlagenen Verkehrsströme hin. Die Durchfahrtsperre vor der Apostelkirche (im oberen Grafikbereich) ist hier bereits eingeplant. Unsere detaillierten Pläne können hier eingesehen werden.

Hier ein Foto aus dem Jahr 2019: Wochen-, wenn nicht gar monatelang war der Langenfelder Damm wegen einer Baustelle vollgesperrt. Alle, die dies erlebt haben, werden bezeugen können, um wie viel ruhiger und sicherer es in dieser Zeit nicht nur hier, sondern auch an der Lappenbergsallee und dem neuen Parnass-Platz geworden ist. Ihren Weg nach Hause haben übrigens auch alle autofahrenden Bewohnerinnen und Bewohner gefunden – sogar mit Vollsperrung.

Baustelle Langenfelder Damm. Könnte hinterher mit Durchfahrtsverbot für KFZ belassen werden, ausgenommen werden müssten nur die Busse der Linie 4.

Nicht weit entfernt, im Nachbarstadtteil Lokstedt, wird nun der Grandweg mit einer ähnlichen Sperrung versehen. Genau wie auch die Lappenbergsallee verläuft der Grandweg parallel zu einer sogar „nur“ vierspurigen Hauptverkehrsstraße. Eine Diagonalsperre, die im Mai installiert wird, soll „für Ruhe und Sicherheit“ sorgen, denn auch hier liegt eine (EINE!) Kita direkt an der Straße, eine weitere in der Nähe sowie eine Grundschule, ebenfalls lediglich in der Nähe.
Gleicher Bezirk Eimsbüttel, gleiches Polizeikommissariat…

Am 7. Februar 2023 ergeht erstmals eine uns offiziell bekannte Anordnung für Tempo 30 für die Lappenbergsallee, diesmal kommt der Rest der Straße dran, denn auch hier hatte es ganz am Anfang, hinter dem Eimsbütteler Marktplatz vor der ersten Kita bereits seit etwas Längerem erste Tempo 30 Schilder gegeben, die plötzlich aufgetaucht waren. Der Langenfelder Damm dagegen bleibt weiterhin außen vor. Fabian von KURS FAHRRADSTADT wird erneut vorstellig bei der unteren Verkehrsbehörde und beantragt Nachprüfungen vor den restlichen noch „vergessenen“ Kitas vor allem im Langenfelder Damm. Nach und nach ergehen im Laufe des Jahres 2023 weitere Tempo 30 Anordnungen, ohne dass dabei die Schilder zeitnah aufgestellt wurden. Inzwischen ist das passiert und eine ganze Armada Schilder ziert nun beide Straßenseiten: Vor den Kitas gilt nun von Mo – Fr 6 – 19 Uhr die reduzierte Geschwindigkeit (obwohl an den Wochenenden tagsüber mindestens genauso viel los ist, wenn nicht sogar mehr), vor dem Seniorenheim gilt es dagegen an allen Wochentagen rund um die Uhr, vor Spielplätzen ist es egal – (ein anderes Thema – auch hier gilt Tempo 30, allerdings wegen der Kitas, nicht wegen dem gut besuchten Spielplatz) – und im Kreisel, der mitten im Langenfelder Damm liegt, darf munter gerast werden. Direkt vorher wird Tempo 30 aufgehoben, um unmittelbar dahinter wieder angeordnet zu werden. Ach ja, und vor der Kita „Langenfelder Damm“ (gelegen in gleichnamiger Straße Nummer 97), der letzten Einrichtung für Kinder in der langen „Kinderstraße“, dürfen Autofahrende ebenfalls noch das Gaspedal durchdrücken.
Wie lange noch?

Wenn es über sieben Jahre dauert,
bis auf kleinen Teilstrecken Tempo 30 eingerichtet wird,
und dann auch nur durch persönliches Engagement, wird das in diesem Jahrhundert mit den großen Zielen, die sich Hamburg selbst gesteckt hat, nichts werden.
Weder mit Vision Zero noch mit dem Klimaschutz.“

Fabian, KURS FAHRRADSTADT

Neidisch blicken wir in andere Länder, in andere Städte. Wir denken an Orte und Städte, in denen Tempo 30 oder 40 längst die Regelgeschwindigkeit in der Stadt ist und nur dort schneller gefahren werden darf, wo es explizit so beschildert ist. Neulich war unser Land nah dran, diesen Zustand einzuführen. Als es darum ging, die neueste Novelle des Straßenverkehrsgesetztes aus dem Hause Wissing fix zu machen, die Kommunen mehr Möglichkeiten geschaffen hätte, z.B. Tempo 30 einfacher anzuordnen, scheiterte sie im Bundesrat. Unter anderem deswegen, weil Hamburgs grüner Verkehrs- und Mobilitätswendesenator seine Hand für die Freie und SPD-Autostadt Hamburg nicht heben durfte.

Kurz darauf wurden neue Zahlen aus Lyon bekannt. In der französischen Stadt wurde zwei Jahre zuvor Tempo 30 auf den meisten, rund 80% aller innerstädtischen Straßen eingeführt. Um 35% sind die Unfälle in Frankreichs drittgrößten Stadt seitdem zurückgegangen. Schwere Unfälle kamen sogar noch weniger vor; sie verringerten sich um satte 39%.

Vielleicht sollten wir nun alle nach all dem ganzen Wahnsinn hier in Ruhe eine Runde kiffen gehen. Aber Vorsicht: Vor der Kita im Langenfelder Damm bleibt es streng verboten – und das obwohl die Tür doch um die Ecke liegt….

Langenfelder Damm und Lappenbergsallee: Kiffen bleibt in allen roten Bereichen verboten!
Quelle: Bubatzkarte.de

Eine Antwort auf „Kiffen verboten, Rasen erlaubt“

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