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Fahrradstadt schwer gemacht

Liebe Freundinnen und Freunde von KURS FAHRRADSTADT,

immer wieder ist es erstaunlich, wie schwer man sich in Hamburg tut, die Fahrradstadt als etwas Ernsthaftes oder gar Ganzheitliches zu begreifen, zu denken und vor allem zu bauen. Doch statt sich mit ihren Bedürfnissen ein wenig tiefgehender zu beschäftigen, muss wieder mal die Oberfläche herhalten, auf die – voila! – ein bisschen weiße Farbe kommt und plötzlich ist die Fahrradstadt über Nacht wieder um ein Stückchen gewachsen. Mit dieser Taktik tut sich vor allem Altona gerade besonders hervor.

Neuer Radweg vor dem Bahnhof

Vor dem Bahnhof wurde vor wenigen Tagen ein neuer Fahrradweg angelegt. Eigentlich eine famose Sache, würde er nicht erstens so mir nix dir nix „irgendwo im Nirgendwo“ beginnen, quer über hochfrequentierte Fußgängerbereiche und zu guter Letzt auch noch mitten durch den Taxistand laufen, um dann ebenso abrupt nach vielleicht 150 Metern wieder zu enden. Da scheinen die nächsten Konflikte bereits einprogrammiert zu sein.
„Das ist lebensgefährlich“, MOP0, 28.06.2017 http://www.mopo.de/hamburg/-das-ist-lebensgefaehrlich–neuer-radweg-in-altona-sorgt-fuer-unmut-27877096

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Start: Wer aus dem Busbahnhof radelt, hat noch gut Lachen, um auf den neuen Radweg zu biegen
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Dann geht’s – immerhin auf Asphalt – mitten durch den Taxistand
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um vor dem Fastfood Restaurant wieder auf den Gehweg zu wechseln
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Ob das mal gut geht hier? Bei Sonnenschein?
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Dank altonale gleich zu Existensbeginn besetzt
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Hier endet der ‚mega-breite‘ Radweg an…, nun ja, man sieht’s.

Ich frage mich, warum es die Macher der Fahrradstadt nicht wenigstens so ernst mit ihr meinen, dass das, was sie machen, ihr wenigstens ein bisschen nutzt und vor allem nicht groteske Steilvorlagen für durchaus berechtigtes Kritisieren quasi frei Haus liefert. Damit ist letztlich niemanden, schon gar nicht der irgendwann werdenden Fahrradstadt gedient.

Warum zieht man den Bahnhofsvorplatz an der Präsident Krahn Straße und Max Brauer Allee nicht mit in die Betrachtung? Nach hier hin hätte sicher der Taxistand verschoben werden können. Eine kleine Drop-on, Drop-off Zone direkt am Straßenrand für PKWs genügt und man hätte hier ein wahres Cluster an mehr oder weniger nachhaltigen Mobilitätsangeboten (switch, StadtRadHamburg) an einer Stelle. So wäre immerhin eine Konfliktquelle entschärft. Bliebe die Frage, wie Fußgängerströme möglichst so geführt werden, dass sie den Radweg nur an wenigen Stellen gezielt, wenn überhaupt, queren müssen. Warum dann nicht Fußgänger hier grundsätzlich und konsequent ‚unten durch‘ zu den Bussen lotsen? Dafür hätte man die Zugänge an beiden Seiten des Tunnels barrierefreier gestalten müssen. Es drängt sich der Verdacht auf, dass sich über all diese Fragen keine Gedanken gemacht wurden.

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Bloß das nicht anfassen: Viel Platz vorm Bahnhof – unsinnig und verschwenderisch genutzt

Eklat um Elbstrandradweg

Bleiben wir noch in Altona. Am Donnerstag wären in der Bezirksversammlung Altona beinahe die Fäuste geflogen, so heftig wurde über den „Elbstrandradweg“ – aus unerklärlichen Gründen ein Lieblingsprojekt der Grünen – gezofft. Etwa 13.000 Unterschriften hatten die Gegner des Vorhabens gesammelt, um den Strand zu retten, mehr oder weniger so zu belassen, wie er ist. Gerade mal 2000 Unterschriften scheinen die Befürworter bisher gesammelt zu haben. Sie brauchen allerdings 6000 Stimmen, um ein Bürgerbegehren zu starten. Nun kommt alles anders und Altonas BürgerInnen sollen in einem Bürgerentscheid über den Radweg am Strand abstimmen. Die Frage ist nur auch hier: Muss das sein? Wo doch die Ablehnung so eindeutig ist?
Bevor wie-auch-immer-Promenaden am Strand gebaut werden, die wahrscheinlich in den nächsten Fluten untergehen, sollte man sich lieber Gedanken über vernünftige Radwege an der parallel verlaufenden Elbchaussee machen. Ein Fahrradaktivist hat die Bezirksversammlung in Altona besucht und Protokoll geführt. Ein Protokoll des Grauens. Genau deshalb lesenswert.
https://www.radverkehrsforum.de/index.php/Thread/939-29-Juni-Bezirksversammlung-Altona/?pageNo=1

17-jährige Schülerin lebensgefährlich in Neugraben verletzt

Sie wollte nur mit ihrem Fahrrad über den Zebrastreifen fahren. Dabei „übersieht“ sie der Fahrer eines Autos, der aus einer Seitenstraße kommend auf die Straße mit dem Zebrastreifen abbiegt. Keine Bäume versperren hier das Sichtfeld. Schwerverletzt kommt die junge Frau ins Krankenhaus.
http://www.mopo.de/hamburg/polizei/neugraben-fischbek–auto-rammt-schuelerin–17–vom-fahrrad-27889352

In vielen Stadtteilgruppen, in die ich diesen Vorfall auf facebook gepostet habe, wird zwar Anteil genommen, aber dennoch immer wieder darauf hingewiesen, dass die Radfahrerin absteigen und ihr Fahrrad hätte schieben müssen, wenn sie den Zebrastreifen regelkonform hätte überqueren wollen. Aber seien wir ehrlich: Wer, außer vielleicht Kinder, schiebt sein Fahrrad über den Zebrastreifen? Und – ob das den Unfall vermieden hätte, sei dahingestellt. Es soll kein Aufruf sein, sich nicht regelkonform zu Verhalten oder es gut zu heißen. Es soll aber den Blick auf das richten, worum es wirklich geht. Darum, Menschen, egal ob zu Fuß, mit dem Fahrrad oder Board, vor derartigen Unfällen, nicht nur an Zebrastreifen, zu schützen. Wenn dafür Gesetze und Vorschriften geändert werden müssen, dann muss es so sein. Denn „tödliche Unfälle sind kein unabänderlicher Aspekt des Straßenverkehrs. Wir können uns für den Schutz von Leben entscheiden.“ So klar hat es der Volksentscheid Fahrrad in Berlin auf den Punkt gebracht. Die Hauptstadt hatte soeben das dritte Fahrradopfer in diesem Jahr zu beklagen. Möge sich auch die Hamburger Schülerin schnell und gut wieder erholen.

Für den Menschen und das Leben, genau dafür steht auch KURS FAHRRADSTADT. Es steht für weit mehr als ein wenig billige Farbe und halbgare Lösungen.

Bitte helft mit, noch 20 weitere Unterschriften zu bekommen, um den wichtigen nächsten 1500er Meilenstein zu erreichen.

Ich wünsche euch, dass ihr gut durch die nächste Woche kommt.
Herzliche Grüße

Kai Ammer

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