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„Rad ab“ – eine Antwort an die ZEIT Hamburg

Am 14. Juni erschien in der Zeit Hamburg der Artikel „Rad ab“, der sich kritisch zu Fahrradaktivitäten wie Sternfahrt oder Critical Mass äussert.
http://www.zeit.de/2017/25/fahrradsternfahrt-hamburg-autofahrer-strassenverkehr

Da scheint aber jemand „sauer“ auf Hamburgs Fahrradfahrer zu sein, zumindest wenn es dabei um solche geht, die am kommenden Sonntag die Fahrradsternfahrt fahren möchten bzw. gerne mal die Critical Mass radeln. „Wir gegen die“, so sieht es Autor Frank Drieschner, Radfahrende, die den Autos bei solchen Aktionen quasi mit Schadenfreude den Platz auf den Straßen streitig machen und somit nur dazu beitragen würden, das zarte Pflänzchen „Fahrradstadt Hamburg“ gleich wieder kaputtzurupfen. Weil man diejenigen, die Auto fahren, die eigentlichen „Verbündeten“, zu Feinden macht, dann die Stimmung kippt und letztlich der Weiterbau der Fahrradstadt akut gefährdet sei.

Von welcher Fahrradstadt redet der Autor eigentlich?

Ich bin Initiator der Aktion „KURS FAHRRADSTADT“ (https://www.change.org/p/kurs-fahrradstadt-fahrradstadt-konsequent-bauen-statt-radler-neuen-gefahren-auszusetzen), die mittels offenen Brief an Bürgermeister Olaf Scholz wachrütteln möchte und vor Augen führt, warum noch so viel mehr passieren muss als das mickrige Wenige, was bisher getan wird. In der Mobilitätsdebatte wird immer wieder maßvolles Agieren und vor allem kein Frontal-Agieren („Wir gegen die“) angeraten, so auch von Drieschner. Doch das Gegenteil ist richtig. Nur mit kraftvollen Aktionen, die in der Öffentlichkeit wahrgenommen werden, gelingt es, Aufmerksamkeit zu erreichen, zu erhalten und auszubauen. Diesen gesellschaftlichen Druck braucht es, um der Politik die Notwendigkeit zur Veränderung sichtbar vor Augen zu führen, damit nicht weiter halbherzig Millionen über Millionen versenkt werden in etwas, was den Namen „Fahrradstadt“ absolut nicht verdient. Klar passiert politische Weichenstellung nicht unbedingt direkt auf der Straße, aber flankierende Protestaktionen gehören zum demokratischen Prozess nun mal dazu. Insbesondere, wenn man keine finanzstarke Lobby im Rücken hat. Lautstarker Protest ist um so wichtiger, weil das jetzt Gebaute für die nächsten Jahrzehnte so erhalten bleiben wird, sprich, es wird die Marschrichtung vorgeben, wie sich Hamburgs Verkehrsarten und -ströme entwickeln werden. Von einer Politik, die die aktive Mobilität, das zu Fußgehen und Radfahren, die Sicherheit, attraktiven ÖPNV, Klima-, Gesundheits-, Lärm- und Luftschutz und somit die menschlichen Bedürfnisse, letztlich die Lebensqualität sowohl in sozialer, ökologischer als auch in ökonomischer Hinsicht in den Mittelpunkt stellt, scheint nach wie vor hinter dunklen Wolken aus Auspuffrohren zu verdampfen und nichts zu sehen zu sein. Grandios beobachtbar ist das übrigens gerade auch im Komplettumbau des ABC-Straßen Quartiers in der Innenstadt.

Nein! Jeder Autofahrende, der bei der Sternfahrt oder einer CM im Stau steht, sollte wissen, dass es egoistisch und arrogant ist, mit dem Auto in die City zu fahren, so es sich dabei um Fahrten handeln sollte, die durch andere Alternativen vermeidbar gewesen wären. Dabei handelt es sich immerhin um den größten Teil aller Fahrten. Sie sollten daran denken, dass es früher sogar mal autofreie Sonntage gab, die man, extra für sie, wieder abgeschafft hat. Sie sind eingeladen, ihr Auto stehen zu lassen und umzusatteln, mitzuradeln. Nur – dafür braucht es dann entsprechende Radwege. Die können auch gut 3 Meter breit sein – das ist keine Maximalforderung, das ist schlicht das, was mindestens benötigt wird, um die Kapazitäten zu schaffen, damit viele von denen, die stattdessen angewidert von Radlern im Stau stehen, überhaupt umsteigen können. Fahrradstadt wird man nicht, indem man diejenigen, die ohnehin schon Rad fahren, von Radwegen auf Straßen verschiebt, sondern vor allem eben die Übrigen dazu bewegt, ihr Auto stehen zu lassen.

Man weiß inzwischen, auch aus den Erfahrungen echter Fahrradstädte wie Kopenhagen, dass Menschen regelrecht erzogen werden müssen, neue Wege zu gehen oder zu radeln. Man tut es, indem man die Attraktivität von z.B. Radwegen in dem Maße erhöht, wie sie im Bereich des motorisierten Individualverkehrs sinkt. Der Haken an der Sache ist, dass Hamburg es bis in die heutigen Tage hinein über Jahrzehnte schlicht verpennt (hat), diesen Weg konsequent zu gehen. Dass der Schnitt, der dann zu kommen hat, umso größer und heftiger sein wird, dürfte allein schon aufgrund der wachsenden Stadt, der Abgas- und Klimaproblematik auch den letzten Autofans einleuchten. Hoffentlich auch dem Autor, Frank Drieschner. Und dabei vielleicht auch mal daran denken, dass man mit einem solchen Artikel gerade denen in die Hände spielt, die gar nicht so unglücklich darüber sind, dass sich hier leider fast nichts ändert. So herum kann man es auch sehen.

Kai Ammer

Ich möchte mehr Druck machen!
Gerne – hier KURS FAHRRADSTADT auf change.org unterzeichnen!