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Hamburg baut „Deichtorloop“ Cyclebridge und wird echte Fahrradstadt

Die frühen 20er Jahre in Hamburg – Aufbruch in die echte Fahrradstadt!

Janika – vom Grasbrook täglich mit dem Rad nach Eimsbüttel und zurück

Janika wohnt seit einem halben Jahr im neu entstehenden Stadtteil Grasbrook. Die alleinerziehende Mutter eines 8-jährigen Jungen arbeitet in Hoheluft und benutzt jeden Tag ihr hellblaues Tourenrad, um vom Elbufer nach Eimsbüttel zu radeln. Nachdem die zuvor in der Stadt heftig umstrittene neue Deichtorloop Cyclebridge vor knapp drei Wochen feierlich eröffnet wurde, bringt ihr der Weg zur Arbeit doppelt so viel Freude. Genial findet sie auch, dass sich ihre Fahrzeit auf der knapp sieben Kilometer langen Wegstrecke nun um ein Drittel verkürzt hat. Ein riesen Pluspunkt obenauf: Dank der neuen Fahrradstadt-Kriterien kann auch ihr Sohn endlich sicher zu Schule radeln, ohne dass sie jeden Tag Angst um ihn haben muss.

Das große Interview zum Deichtorloop hier auf
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Kurz nach der Hamburg-Wahl in 2020 wurde das Fahrradstadt- und Velorouten-Konzept komplett auf den Prüfstand gestellt und mit zusätzlichen, ehrgeizigeren Nachhaltigkeits- und Sicherheitskriterien für eine echte Fahrradstadt neu aufgelegt. Erste Abschnitte der Velorouten 2.0 sind u.a. auf der Esplanade, der Edmund-Siemers-Allee, Elbchaussee, Max-Brauer-Allee und der Bundesstraße fertiggestellt worden. Im Gegensatz zu den meist auch von Autos befahrenen Velorouten, die Radfahrende oftmals im Zickzack auf Umwege zwang und nach wie vor an Querstraßen und Ampeln ausbremste, zeichnen sich die Velorouten 2.0 durch die tatsächliche Priorisierung der dort radelnden Verkehrsteil­nehmer*­innen aus. Die Ansprüche sind hoch: So müssen Sicherheitsaspekte berücksichtigt sein, die darauf zielen, keine Verkehrstote und Schwerverletzte mehr bedauern zu müssen („Vision Zero“), alle Streckenabschnitte autoarm und perspektivisch schrittweise emissionsfrei sein. Das Stadtgrün ist auf den Velorouten 2.0 nun besonders geschützt, um das Stadtklima zu kühlen. Wo es nicht möglich ist, Ampelkreuzungen mittels Tunneln oder Brücken zu überqueren, erhalten Radfahrende die „Rundum-Grün“ Schaltung, zudem muss hier dem Umweltverbund (längere Grünphasen Fuß- und Radverkehr, sofort Grün für Busse) Vorrang gegeben werden und die Ausgestaltung dem neuen Klimaschutz-Beschleunigungs­programm in allen Punkten gerecht werden.

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Seitdem der Deichtorloop steht, radelt Janika, von der Oberbaumbrücke aus kommend, auf dem Vorplatz der Deichtorhallen in der „Fahrrad-Schraube“ auf den nagelneuen, gefühlt schwebenden „Loop“, umrundet in etwa 6 Metern Höhe auf der Fahrradbrücke mühelos die noch immer riesige Deichtorplatzkreuzung, ein Relikt aus dem fossilen Zeitalter und gleitet kurz darauf durch die „Wallfahrt“, dem Tunnel Richtung Alster, dessen eine Röhre nun nur noch für Räder und Fußgänger vorbehalten ist und über internatio­nale Lichtkunstprojekte die Kunstmeile mit einem weiteren spannenden Ort ergänzt. Über die Lombardsbrücke führt ein breiter Radweg, selbstverständlich geschützt vor Autos und LKW. Die Esplanade ist verkehrsberuhigt und ab der Edmund-Siemers-Allee sind durchgängig bis zur Bundes­straße auf ehemaligen Autofahrstreifen Protected-Bikelanes, baulich geschützte Radwege, eingerichtet worden. Über die Fahrradstraße Bundesstraße fährt die junge Mutter ihrem Arbeitsplatz entspannt entgegen. Nur rund um Bahnhof Dammtor ist Janika nicht wirklich zufrieden mit der Situation, ansonsten hat sie an der Veloroute 2.0 nichts auszusetzen und hat nebenbei mehr freie Zeit als noch vor einigen Jahren. „Es ist einfach ein Wahnsinn, was sich in den letzten Jahren in dieser Hinsicht in Hamburg getan hat“, schwärmt die passionierte Radlerin und ergänzt lachend „Es wurde aber auch Zeit!“

Robert: von Moorfleet täglich mit dem Rad über die Fahrradbrücke in die City und zurück

Es ist noch stockdunkel, als Robert sich in Moorfleet auf sein Bike schwingt und über die ruhigen Straßen von Tiefstack auf der neuen Veloroute in die Stadt radelt. Über Entenwerder geht es auf einem neu asphaltierten und gut beleuchteten Teilstück bequem weiter. Das Einzige, was sich nicht groß verändert hat, ist die Fahrt hinter dem Großmarkt vorbei – seit bald 10 Jahren schon traumhaft zu befahren. Während die Sonne langsam aufgeht, radelt er über den neu gestalteten Platz neben den Deichtorhallen. Früher ein Parkplatz, wurde er 2021 als neuer Hot-Spot für Open-Air-Kunst, mit Cafés, Urban Gardening-Zonen, Kunst-Tauschbörsen, Spielplatz und schattigen Sitzgelegenheiten unter Solar-Sonnensegeln (entwickelt von der HAW Hamburg) neu eröffnet.

Für die gesamte Kunstmeile wurde ein städtebaulicher Wettbewerb ausgelobt. Der Siegerentwurf erst machte aus der Kunstmeile tatsächlich eine Kunstmeile, in der es trotz Hauptverkehrsstraßencharakter überall etwas zu entdecken gibt. Inzwischen ist der neu geschaffene Straßenraum in ein hervorragen­des Wechselspiel mit der Cyclebridge getreten. Während es heller wird, dimmt die wechseln­de Beleuchtung des Deichtorloops allmählich herunter. Schon um 8 Uhr morgens ist auf der Fahrradbrücke gut was los. Robert genießt die anschließende Fahrt durch den im Sommer kühlenden Tunnel, vorbei am mittig platzierten und überglasten Freiluftaufgang zum Bahnhof und einer großen Fahrradservicestation in der Fahrradgarage des Hauptbahnhofs. Am Alsterausgang verzweigt sich eine weitere Fahrradbrücke.

Die Ingenieur*innen hatten die schlaue Idee, das Niveau von Teilen der Kreuzung um 1,5 Meter abzusenken. Darum wirken die Fahrradbrücken hier niedrig und unspektakulär; blickt man vom Jungfernstieg zur Galerie der Gegenwart, fallen die auf unterschiedlichen Höhen verlaufenden Fahrradzufahrten in den Tunnel überhaupt nicht auf – auf der Alsterseite also hanseatisches Understatement vom Feinsten. Robert hält sich links. Die Entscheidung, vor drei Jahren auf dem Ballindamm einen Premium-Radweg einzurichten, zahlten sich aus. Seit die Innenstadt autofrei wurde, gibt es dort keine Ampeln mehr. An der Rathausbrücke teilt Robert sich den Kreisverkehr mit den Bussen. Vorbei am Rathaus hat er kurz später sein Ziel im Neuen Wall erreicht. Er hätte auch die Willy-Brandt-Straße nehmen können, aber die Fahrt am Bahnhof und der Binnenalster vorbei ist unschlagbar attraktiv. Seit die Cyclebridge Deichtorloop steht, hat Robert sein Auto abgeschafft. Nach seinem Feierabend hat er noch vor, sich sportlich zu betätigen. Radeln ist seine neue Leidenschaft geworden. Er wird dann an seinem Zuhause in Moorfleet einfach vorbei strampeln. Und immer weiter strampeln. Bis an die Stadtgrenze bei Altengamme und erst danach zurück nach Hause. 60 Kilometer. Und alles ohne eine einzige Ampel.

Hamburgs Weg zu den Anfängen einer echten Fahrradstadt war hart und steinig.

Während die nördlichen Nachbarmetropolen die Top-Plätze der weltweiten Fahrradstädte anführten und Hamburg von immer mehr Städten überholt wurde, begann endlich ein Umdenken, befeuert durch die freundliche aber doch eindeutige Kritik an der autogerechten Stadt, die auf dem internationalen Mobilitätskongress in Hamburg 2021 von den Teilnehmen­den geäußert wurde. Es wurde erkannt, dass Fußgänger, Radfahrende und Nutzer*innen des öffentlichen Nahverkehrs einen erheblichen Beitrag zu Hamburgs Klimaschutzzielen leisten können (und auch müssen!).

Das wichtigste Ereignis war aber ein anderes: Während unmittelbar zu Beginn des Jahres 2020 aus Oslo die Nachricht kam, dass man der „Vision Zero“ erstaunlich nahe gekommen war (dort kamen im Jahr 2019 kein* Fußgänger*in, kein*e Radfahrer*in und kein Kind ums Leben), versank Hamburg in einer schlimmen Serie von schweren Unfällen, die beinahe im Tagesrhythmus die lokalen Nachrichten dominierten. Als im aufkommenden Bürgerschaftswahlkampf ein weiterer Radfahrer zu Jahresbeginn auf den Straßen der Stadt sterben musste, war das Fass endgültig übergelaufen.

Noch im Wahlkampf versprachen die Politiker*innen – ähnlich, wie es die zur gleichen Zeit wahlkämpfende Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo mit ihrem spektakulären Konzept „city of fifteen minutes“ tat – Hamburg einer radikalen Mobilitäts­wende zu unterziehen. Sie wussten die Mehrheit der Hamburger*innen hinter sich, denen nichts so sehr wie der Stillstand auf Hamburgs Straßen und der unerträgliche Kampf zwischen den Verkehrsteilnehmer*­innen unter den Nägeln brannte. Die Parteien, die das ambitionier­teste Wandel-Szenario entwarfen, gewannen mit Abstand. Kurz später begannen sowohl die konkreten Planungen für eine autofreie Innenstadt als auch der neuen Velorouten 2.0. Der neue BUiT– Senator (Behörde für Umwelt und infrastrukturelle Transformation) wurde zusammen mit seiner sich ebenso neu im Amt befind­lichen Klimaschutz-Verkehrskoordina­torin auf Reisen ins nahe Ausland geschickt, um sich inspirieren zu lassen. Der Auftrag war klar: Alles, was ab nun in Angriff genommen würde, müsse die eigenen Senatsdrucksachen beherzigen und im Idealfall bleibenden Eindruck hinterlassen – insbesondere bei unserem dänischen Nachbarn. Dass es ab nun die Dänen sein sollen, die in Hamburg von seinen Fahrrad-Ideen vor Neid erblassen mögen, war klare Ansage aus der Chefetage im Rathaus, die von einem Innovationsrat regelmäßig beraten wird. Mit Vorschlägen, die erwartbar unterhalb der bis dato besten internationalen Lösungen für den Radverkehr blieben, brauchte in Hamburg seitdem niemand mehr zu kommen. Denn schon 2020 wurde auch der BUiT klar, dass sich die Metropolen weltweit längst im Wettstreit der besten Ideen für gesunde, attraktive und nachhaltige Städte befanden, deren Infrastrukturen die Wettbewerbsfähigkeit und die Wirtschaftskraft innovativ befeuern und gleichzeitig dem Klimawandel Paroli bieten. Damit einher gehen Veränderungen im gesamten Gesellschafts­system, die dafür sorgen, soziales Auseinanderdriften zu entschleunigen und Prozesse, die vor allem viele Menschen, die sich längst von der Politik nicht mehr vertreten fühlten, wieder für eine gemein­same und gute Sache zu begeistern.

Beispiele aus dem niederländischen Eindhoven und finnischen Helsinki regten die Hamburg-Delegation zum ersten Loop an, der in einen international beachteten Lichtkunsttunnel führt.

In den Niederlanden wurde 2012 der futuristische „Hovenring“ bei Eindhoven eröffnet. Der erste „schwebende Fahrradkreisverkehr“ wurde dort über eine bestehende, recht große Kreuzung installiert. Die 11 Millionen Euro teure Fahrradbrücke wurde zu 60% aus Mitteln der EU finanziert und wird heute täglich von etwa 4 – 5.000 Radfahrenden genutzt. Ähnlich spektakuläre Fahrradbrücken gibt es u.a. bereits in Kopenhagen („Bicycle Snake“), in San Francisco die „Bay Bridge“ sowie in Taiwan die „Star-of-Cianjhen Bike Bridge“. In Finnlands Hauptstadt wurde 2012 in einer alten Hafenbahn­trasse, die unterhalb des Straßenniveaus verläuft, die 1,3 Kilometer lange „Baana“ in Helsinki Betrieb genommen. Sie verbindet den zentralen Haupt­bahnhof mit dem Stadtteil Ruoholahti im Westhafen. Die Baana ist eine kombinierte Fahrrad- und Fußgänger­autobahn mit diversen Zugängen, komplett vom motorisierten Verkehr abgetrennt. Inzwischen wird das Netz der Baanas – also wahren Premiumradwegen – weiter ausgebaut (siehe Seite 16/17 im Dokument). 

Damit aber nicht genug: Ähnlich wie in Hamburg bildet der Hauptbahnhof dort zumindest in der Querrichtung eine Barriere und muss umrundet werden. Dies soll sich nun ändern. Im Dezember beschloss der Stadtrat, dass für 23 Millionen Euro ein neuer, 230 Meter langer Fahrradtunnel unter den Gleisen des Hauptbahnhofes gebaut werden soll. Die Ur-Baana wird somit mitten durch das Herz der Stadt, in unmittelbarer Nähe zu Parlament, Kunstmuseum, der neuen, zentralen ‚Zukunfts‘Bibliothek „Oodi“, Finlandia-Halle und Hauptbahnhof unterirdisch verlängert und bietet hinterher freie Radfahrt von Kamppi bis Kaisaniemi.

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Und wie sah die Lage bis ins Jahr 2020 hinein am Hamburger Hauptbahnhof aus?

Der Alptraum für jeden Radfahrenden!

Wir haben uns die Mühe gemacht und uns die Strecke von der Ecke an den Deichtorhallen bis hinüber über die Kreuzung Glockengießerwall / Ballindamm / Ferdinandstor, also bis zum Anfang der Lombardsbrückenauffahrt, einmal genauer angesehen und mit einer Stoppuhr nachgemessen. Wir reden somit über einen etwa 1 Kilometer langen Abschnitt, auf dem der motorisierte Individualverkehr (MIV) je Fahrtrichtung mindestens 4 Fahrspuren zur Verfü­gung stehen, je zwei davon verlaufen quasi ampelfrei durch 2 Tunnel; Autos passieren diesen Weg in keinen 2 Minuten.

Wir stellen uns an einem gut frequentierten Fahrrad-Tag an den Deichtorhallen an die Ampel. Sie springt auf grün, die Zeit läuft, sie läuft auch weiter, als wir bereits auf der ersten bepalmten Mittelinsel mitten auf der Kreuzung vor der nächsten roten Ampel stehen. Vorbei dann am Kunstverein, immer mit normalmenschlicher Fahrrad­geschwindigkeit von etwa 18 km/h den Berg am Klosterwall rauf bis zur Altmannbrücke – auch dort läuft die Zeit weiter, als wir wieder vor einer roten Ampel hängen bleiben. Nächste Ecke Steindamm geht’s auch nicht weiter. Vor dem Bahnhof, besonders im Bereich des Wandelhalleneingangs, sind starke Nerven gefragt, als wir uns durch die Stelle manövrieren, wo wahrscheinlich die meisten Fußgänger*innen Hamburgs einen Radweg queren, den man hier fast nicht erkennen kann (und der sonst unter etlichen Leuten ohnehin verschwunden ist).

Interessant in diesem Zusammenhang dürfte der Hinweis auf demnächst fünf weitere Abgänge zu den Gleisen sein, die im Süden des Bahnhofes dann sicher schon auf Höhe der Altmannbrücke zahlreiche zusätzliche Menschen auf die Radwege spülen, die ebenso einer Neugestaltung unterzogen werden müssen. Unsere Fahrt gen Alster geht weiter: Und immer noch läuft die Zeit, denn an der Ernst-Merck-Straße sehen wir abermals Rot. Auf der neu angelegten „Angstweiche“ vor der Kunsthalle wären wir glatt über den Haufen gefahren worden, hätten wir uns auf das angezeigte Fahrrad-Grün verlassen. Nach über 8 Minuten haben wir unser Ziel auf der Lombardsbrückenseite am Ferdinandstor erreicht.

Zurück auf Los. Diesmal messen wir die Zeit, die wir allein vor roten Ampeln verbringen: Es sind wertvolle 4 Minuten und 25 Sekunden! Man steht also mehr vor roten Ampeln als dass es vorwärts geht. Auch bei der zweiten Fahrt rasen Autos noch bei Rot über die seltsame Radspurverschwenkung vor der Kunsthalle und wir sind froh, diesen diskriminierenden Spießrutenlauf hinter uns zu haben. Für uns sind das absolut unwürdige Zustände – zudem noch mitten in der selbst ausgerufenen „City of Solutions“.

Über 8 Minuten. Das ist sehr viel Zeit für einen Kilometer. In 8 Minuten legt die U-Bahn oft ganze 4 Stationen zurück und ein Fahrrad schafft – würde es rollen – bei 18 Km/h mehr als das Doppelte, nämlich rund 2,4 Kilometer Strecke. Wir wären somit längst an der Uni angekom­men. So aber stehen wir noch immer am Ferdinandstor.

KURS FAHRRADSTADT macht Hamburg von daher einen spektakulären Vor­schlag, wie dieser Missstand, der außer gewollten Radverkehr auszubremsen nichts tut, behoben werden und ein gutes Stück Fahrrad-Beschleunigung erreicht werden kann, ohne dass es zu wirklich radikalen Eingriffen in den MIV-Verkehr kommt. Denn auch nach der tollsten Transformation des Verkehrs in ein neues Zeitalter braucht es unbestritten Straßen, auch Hauptknotenpunkte, auf denen (privater sowie Wirtschafts-) Verkehr fließen (und die City umrunden) können muss.  Würde der Deichtorloop samt der Tunnelfahrt umgesetzt, blieben dem MIV noch immer drei Spuren je Richtung (je nach Nutzung des linken Tunnels). Wie in Eindhoven erhält der Deichtorplatz in Hamburg eine ringförmige Fahrradbrücke über der Kreuzung – ähnlich groß wie der Hovenring -, von der aus es auf einem Baana-mäßigen Premiumrad- und Fußweg über eine lange Stelzenbrücke direkt in die rechte Tunnelröhre der „Wallfahrt“ geht. Die linke Röhre könnte je nach aktueller Verkehrsstärke in beide Richtun­gen und mit beiden Fahrspuren den Autos erhalten bleiben (Sierichstraßen-Prinzip). Zudem könnten durch evt. Wegfall von MIV Abbiege Streifen zusätzliche „Kiss- and Ride Parkplätze“ in unmittelbarer Bahnhofsnähe und Platz für andere Mobilitätsangebote wie Car- und Bikesharingstationen geschaffen werden.

Tatsächlich handelt es sich bei einer solchen Umgestaltung um ein Gleichziehen mit dem MIV mit dem Eingeständnis, dass es stark befahrene Verkehrsknoten, die um die City herumführen, noch weitere Jahre geben wird. Hier kann die eierlegende Wollmilchsau, es allen Verkehrsteil­nehmenden gerecht zu machen, im Gegensatz zu den meisten anderen Orten in der Stadt, sogar glücken und gleichzeitig mit dem Bau der Deichtorloop Cyclebridge ein „Leuchtturm“ in der Horizontalen gebaut werden.

Wir stellen uns eine Konstruktion vor, die genau dies zeigt: So hängt die Fahrradbrücke Deichtorloop buch­stäblich an vier ineinandergreifenden „Tauen“, die einen Verkehrs-(Seemanns-)knoten darstellen. Jedes dieser Taue symbolisiert dabei eine der vier Hauptverkehrs­arten: Das Auto, das Fahrrad, den ÖPNV und den Fußverkehr.

Wie so etwas gebaut werden kann, wissen Ingenieur*­innen. Wir liefern die Ideen.

Als Tor zum neuen Hafen-Hamburg und Bindeglied zur Kunstmeile darf es hier jedoch gerne etwas Ausgefallenes sein. Im Tunnel können sich Licht­künstler*innen und Studierende der HfbK austoben und die Kunstmeile aufwerten. (Inspiration dazu hier).

Fast mehr noch als für den Autoverkehr stellt der Deichtorplatz wahrscheinlich einen der wichtigsten zukünftigen Fahrradknotenpunkte der Stadt mit einem erheblichen Potenzial dar. Egal ob aus Hammerbrook, Rothenburgsort, der Veddel, Wilhelmsburg, Harburg oder der neue Billebogen – alle radeln (und gehen) über den Cyclebridge Deichtorloop. Für die Hafencity mit dem neuen, großen Elbbrückenquartier direkt nebenan und dem Grasbrook gilt das Gleiche.

Bahnreisende nach Hamburg erhalten bereits bei der Einfahrt in den Hauptbahnhof einen ersten Aha-Blick auf die futuristische Fahrradbrücken-Konstruktion, insbesondere in der Dunkelheit spektakulär beleuchtet.

Eindhovens Hovenring wurde gebaut, weil man davon ausging, dass ihn eines Tages mal ca. 5.000 Radler*innen am Tag befahren werden, wenn der in der Nähe geplante neue Stadtteil fertig ist. Die Zahlen dürften ein Witz sein gegen die zu erwartenden auf dem Loop – schließlich haben wir allein bei unserer letzten Demo auf der Edmund-Siemers-Allee in Höhe Dammtor-Bahnhof in gerade mal zwei Stunden gut 1.600 Pedalisten gezählt, wohlgemerkt nur in eine Richtung. Zwei Velorouten 2.0 führen dann über den Deichtorplatz, nachdem Teile der alten Veloroute 10 hierher verlegt wurden.

Wir glauben, dass in Hamburg wieder Geschichten erzählt werden müssen.

Nicht nur Fahrradstadt-Geschichten in bunten Pixibüchern, sondern Geschichten, die begeistern – und hinterher auch umgesetzt werden. Das Startsignal muss ein weit über die Stadt und für alle Menschen sicht- und spürbarer Leuchtturm sein, für Hamburger Verhältnisse eben echter ‚Fahrradluxus‘, einer allerdings, der hier auch dringend geboten ist. Es muss ein Wegweiser in vielerlei Hinsicht sein, der gerade auch in Punkto Flächengerechtigkeit neue Maßstäbe setzt. Wenn es mitten im Zentrum einen Leuchtturm gibt, den viele ausprobieren wollen und Spaß am Radfahren gewinnen, wird Hamburg hinterher mit einem ganz anderen Selbstbewusstsein daran gehen können, die Radrouten vom Zentrum aus bis hinaus zum Stadtrand im hohen Standard fortzuführen. Einen besser gewählten Ort zum Beginnen als diesen, mitten im Zentrum, zwischen dem alten und dem neu entstehenden Hamburg, gibt es wahrscheinlich kaum.

Um Missverständnisse zu vermeiden: Es ist nicht unser Ziel, den Radverkehr grundsätzlich über und unter die Erde zu verbannen, sondern vielmehr, sie von anderen Verkehrsteil­nehmen­den so zu trennen, dass Sicherheit und störungsfreies Radeln möglich wird. An dieser Stelle eine ideale Lösung.

Radverkehrsplanung ist in unseren Augen auch eine stadtplanerisch-architektonische Chance, die bisher nur bei Gebäuden ausgelebt wird.

Für diesen „Start-Leuchtturm“ braucht es kein Warten auf einen Verkehrsentwicklungsplan. Der Deichtorplatz wird wohl so lange es Hamburg gibt, eine bewegte Kreuzung bleiben und muss dem zunehmenden Fahrradverkehr eine spannende Alternative bieten.

Hamburg hat alles, was es braucht: Jede Menge Platz über der Kreuzung und einen Tunnel unter einer Straße, die noch immer völlig überdimensioniert das eigene, private Auto huldigt.

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Deichtorloop CycleBridge in XXL Auflösung, (c) KURS FAHRRADSTADT

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Das große Interview zum Deichtorloop hier auf ZEIT ONLINE lesen

Wir von KURS FAHRRADSTADT visualisieren unsere Ideen so gut wir können. Diese Arbeiten sind ein Kraftakt für uns, die wir dies ausschließlich in unserer Freizeit tun. Wir freuen uns, wenn wir bei anderen Projekten unterstützt werden von Leuten, die KURS FAHRRADSTADT mögen und Lust haben, uns bei der Darstellung kollegial zu unterstützen, z.B. StadtplanerInnen, Architekten, Urban Sketcher, o.ä.. Auch künstlerische Hilfen sind immer willkommen. Bitte meldet euch bei uns: kursfahrradstadt@hamburg.de
Ein Beispiel für so einen Fall wäre aktuell z.B. die Max-Brauer-Allee:
Unsere Ideen dazu könnt ihr hier im ZEIT ONLINE Artikel „MehrPlatz fürs Rad“ von Félice Gritti vom 26. Januar 2020 nachlesen. KURS FAHRRADSTADT kommt dort ab Seite 5 zu Wort.

Sehen wir uns nächsten Sonntag auf der KURS FAHRRADSTADT Verkehrswende-Demo in Altona?

Demo KFHH Elbchaussee Fehlplanung

Alle Infos  zur großen
KURS FAHRRADSTADT Demo
am kommenden Sonntag 

Fünf Forderungen von KURS FAHRRADSTADT:

  1. Wir erwarten eine inklusive, geschützte Radwege-Infrastruktur nach besten Vorbildern
  2. Wir erwarten, dass Hamburg mit der zukünftigen Fahrradstadt insgesamt lebenswerter wird
  3. Wir erwarten, dass die Errichtung der Fahrradstadt ökonomisch nachhaltig erfolgt
  4. Wir erwarten, dass die Fahrradstadt Hamburg als Beitrag zum Klimaschutz verstanden wird
  5. Wir erwarten, dass mit der Fahrradstadt Geschwindigkeitsbegrenzungen mitgedacht werden

Hier unterzeichnen

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KFHH Elbchaussee ganze stadt

3 Antworten auf „Hamburg baut „Deichtorloop“ Cyclebridge und wird echte Fahrradstadt“

Nicht bis nach China „fliegen“ (entsteht zuviel CO2);
Niederlande reicht: Eindhoven, Hovenring (Kreuzung Heerbaan / Grasdreef):
vielleicht nicht ganz so futuristisch oder architektonisch anspruchsvoll,
aber effektiv und praxisorientiert;

Sorry, hatte nicht übersehen, dass die Brücke in Einhoven ja mehrfach genannt worden ist. Upps, …
Aber was fehlt, wäre noch näher dran: die „Veloroute 10“ in Kiel (umgebaute ehemalige Bahntrasse);
Stockholm (ein sehr schönes Radwegenetz mitten in der Innenstadt);
und -falls es in Hamburg auch richtig steile Straßenabschnitte gibt:
ein CycloCabel wie in Trondheim (N);
Viel Erfolg mit der Petition;

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