Vor einigen Tagen wurde die 2. Verschickung der Elbchaussee-Umbaupläne vorgestellt. Wie ihr wahrscheinlich alle mitbekommen habt, gab es einen medialen Aufschrei – überall wurde über die katastrophalen Pläne berichtet.
Was kommen soll, ist so das Schlimmste, was passieren kann. Die im vorbildlich durchgeführten Bürgerbeteiligungsverfahren geäußerten mehrheitlichen Wünsche werden genauso wie die Sicherheit der Radfahrenden mit Füßen getreten, von „Vision Zero“ wurde offenbar beim planenden LSBG noch nie etwas gehört. So soll ein „wirrer Mix“ (adfc Hamburg) an allen möglichen Radverkehrsführungen in ein groteskes Wechselspiel treten. Und wo nicht mal das stattfindet, finden Radfahrer*innen ganz einfach gar nichts mehr. Stadteinwärts wird das Fahrrad sogar mehrheitlich in den Mischverkehr gezwungen. Alle Pläne können hier eingesehen werden: https://lsbg.hamburg.de/aktuelle-planungen/
Fahrrad-Hamburg kommt voll unter die Räder
Unser wahlkämpfender Bürgermeister Tschentscher lehrt uns laut Wahlkampfunterlagen „‚Moderne Mobilität für Hamburg‘ – SPD – Die ganze Stadt im Blick“ auf der ersten Innenseite „[…] Aber allein auf Radwegen kommt eine Stadt wie Hamburg nicht ins 21. Jahrhundert. “
Die SPD stehe für eine leistungsfähige und zukunftsweisende Verkehrsinfrastruktur, für einen modernen Hafen, emissionsfreie Busse und Autos, leistungsfähige Bahnen, einen größeren Hauptbahnhof und für eine moderne Hafenbahn, ist direkt über seiner Unterschrift zu lesen.
Unser Bürgermeister hat dort vergessen, zu erwähnen, wofür die SPD Hamburg noch steht: Für verstopfte Straßen, noch mehr Staus, mehr Autos, mehr krankmachenden Lärm, giftige Abgase, todbringende Unfälle und Klimaschutz-Null-Prozent.
Wir sind erschüttert darüber, wie ewiggestrig in Hamburg noch immer Verkehrspolitik gedacht und gemacht wird. Ebenso haben wir absolut null Verständnis dafür, wie es sein kann, dass die „Fahrradstadt“-GRÜNEN in Form des verkehrspolitischen Sprechers in Altona, Holger Sülberg, solche gefährlichen und unterirdischen Pläne noch als „halbwegs akzeptabel“ bezeichnen können („Elbchaussee-Umbau: Wo Radfahrer auf die Straße müssen“, Hamburger Abendblatt, 22. Januar 2020). So wird jegliche Radverkehrsförderung ausgebremst, bevor sie überhaupt begonnen hat. Einen besseren Beweis dafür, dass vollmundig angekündigte Hamburger und bezirkliche Klimaschutzpläne für die Tonne sind, gibt es kaum.
Wir haben darum folgende Eingabe an den Landesbetrieb Straßen, Brücken und Gewässer (LSBG) gesendet:
Sehr geehrte Damen und Herren,
wir von der Bürgerinitiative KURS FAHRRADSTADT fordern bei dieser und weiteren Umbauplanungen ein Einhalten der eigenen Beschlüsse (21/9700 UN-Nachhaltigkeitsziele und 21/7748, S. 4 Mobilität in Hamburg, des Klimaplans, des Klimaschutzgesetzes, des Luftreinhalteplans sowie im Bezirk Altona der Erklärung der Bezirksversammlung zum Klimanotstand mit der zugehörigen Entscheidung Altona zum Klimaschutzbezirk zu entwickeln).
Das bedeutet eine eindeutige und sofortige Umkehr der Verkehrsträgerpriorisierung des öffentlichen Raumes zugunsten des Umweltverbunds (ÖV, Rad, Fuß) mit dem Schwerpunkt auf aktiver Mobilität. Die jetzige Planung der Elbchaussee wird dem nicht gerecht und fördert weiterhin den MIV. Eine solche Planungslogik in die 30er/40er Jahre hinein ist nicht mehr länger tragfähig und verstößt u.a. gegen die Verpflichtung zum sofortigen wirksamen Klima-, Gesundheits- und Umweltschutz im Rahmen der UN-Nachhaltigkeitsziele (Agenda 2030).
Ähnlich wie der Fuß e.V. sprechen wir uns dafür aus, dass auf der Elbchaussee zunächst für die Zukunft notwendige Flächen für Rad- und Fußverkehr optimal einzuplanen und erst dann die restliche zur Verfügung stehende Straßenfläche neu zu planen ist mit Priorität ÖPNV (Planung von Außen nach Innen).
KURS FAHRRADSTADT setzt sich für eine Fahrradstraße in der Elbchaussee ein mit Durchfahrtserlaubnis für Busse und AnwohnerInnen. Dies ist in einem Mobilitätslabor der weiteren Überplanung vorwegzuschalten und begleitend zu evaluieren (Zählung der Radfahrenden und FußgängerInnen/ motorisierte Verkehrsverschiebung über die Bundesstraße). Dieser Vorschlag wurde dem Ersten Bürgermeister Tschentscher 2019 unterbreitet, den er prüfend mitnehmen wollte. (Video der Körber Stiftung zum Abschluss des Projekts „Hamburg besser machen“: https://youtu.be/oQmICDusY0Q)
Mit der jetzigen Planung wird der Radverkehrsanteil in Hamburg nicht gefördert. Die Planung ist zu stoppen und durch einen zukunftsgerechten Ansatz, der dem Stadtraum auch den notwendigen Platz für zukünftige Mobilitätsinnovationen sowie attraktive Alternativen zum MIV bietet und die obigen Beschlüsse und (inter)nationalen Verpflichtungen* ausreichend berücksichtigt.
KURS FAHRRADSTADT
* Das Pariser Klimaschutzabkommen, die europäische Klimaschutzverordnung sowie der Klimaschutzplan 2050 bilden die Grundlage für das Bundesklimaschutzgesetz. Bis 2030 muss Deutschland die Treibhausgasemissionen um 55% gegenüber 1990 reduzieren. Im Verkehrssektor liegt das Emissionsziel 2030 bei minus 42% gegenüber 1990. Das entspricht 95 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente, ausgehend von rund 163 Millionen Tonnen im Jahr 1990/2017. Die Reduktion der Emissionen auch im Straßenverkehr ist wesentliche Voraussetzung zur Erreichung der gesamten Klimaziele. (Quelle: Plattform Zukunft Mobilität, Fortschrittsbericht 2019)
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Fünf Forderungen von KURS FAHRRADSTADT:
1. Wir erwarten eine inklusive, geschützte Radwege-Infrastruktur nach besten Vorbildern
2. Wir erwarten, dass Hamburg mit der zukünftigen Fahrradstadt insgesamt lebenswerter wird
3. Wir erwarten, dass die Errichtung der Fahrradstadt ökonomisch nachhaltig erfolgt
4. Wir erwarten, dass die Fahrradstadt Hamburg als Beitrag zum Klimaschutz verstanden wird
5. Wir erwarten, dass mit der Fahrradstadt Geschwindigkeitsbegrenzungen mitgedacht werden