Moin Moin allerseits,
über 3 Wochen ist es her, als KURS FAHRRADSTADT mit vielen von euch in Eimsbüttel zur Demo auf die Straßen gegangen war. Am Ende der Demo fragten wir unsere Gäste, was sie am 22.5. als nächsten Werktag tun würden, um die Sicherheit von Radfahrenden zu erhöhen. Anjes Tjarks, Fraktionschef der GRÜNEN in der Bürgerschaft, wollte sich sofort mit der Thematik befassen, auf die SPD zugehen und sich verstärkt für Aufstellflächen für Fahrräder noch vor dem motorisierten Verkehr – wie von uns als Sofortmaßnahme auf der Demo gefordert – einsetzen. Das hat er tatsächlich getan und zusammen mit der SPD schon am 30. Mai einen entsprechenden Antrag an den Senat eingereicht, den ihr hier einsehen könnt. Die Aufstellflächen sind nur einer von fünf Punkten, die zukünftig für mehr Radverkehrssicherheit sorgen sollen.
Wir haben uns dazu entsprechend Punkt 4 genauer angesehen:
„[…] für die bessere Sichtbarkeit von Rad Fahrenden im Straßenverkehr zum Beispiel Aufstellflächen und Vorbeifahrstreifen an Kreuzungen und Einmündungen vor dem motorisierten Verkehr zu schaffen und die sichere Führung des Radverkehrs bezüglich der Abbiegeradien zu überprüfen; dies auch, ohne die gesamte Kreuzung im Rahmen einer Grundinstandsetzung umzuplanen;
[…]“
Hier heißt es „z.B.“, wenn es um Aufstellflächen geht. Es wäre schön gewesen, wenn Punkt 4 genauer definiert wäre, wie die Steigerung von Sicherheit hier gewährleistet werden soll. Und dennoch – es ist ein Signal in die richtige Richtung, auch ein Signal dafür, dass es sich immer wieder lohnt, sich stark für eine Sache einzusetzen. Punkt 4 hätte es ohne die letzte KURS FAHRRADSTADT Demo so eventuell gar nicht gegeben.
Zu den Punkten 2 und 3 gibt es indes erfreuliche Nachrichten: Hamburg hat nun tatsächlich entschieden, den städtischen Fuhrpark bereits ab 3,5 Tonnern mit elektronischen Abbiegeassistenzsystemen auszustatten und auch zu sehen, inwieweit es möglich ist, vorhandene LKW entsprechend nachzurüsten. Das sind, betrachtet man alle LKW, die auf Hamburgs Straßen täglich unterwegs sind, natürlich nur kosmetische Eingriffe. Aber sie können Leben retten und es sind wichtige Schritte – ganz zu schweigen vom hohen Symbolwert – , wenigstens hier, soweit es einer Stadt halt möglich ist, die Vorreiterrolle einzunehmen. Es ist wichtig, dass auch weiterhin von Seiten Hamburgs versucht wird, alles daran zu setzen, dass es hier zu EU-weiten verpflichtenden Vorschriften kommt.
Wir werden am Ball bleiben und weiter über die Entwicklung berichten.
An dieser Stelle noch kurz der kleine Hinweis, dass wir grundsätzlich an Straßen wie denen, um die es hier geht, eine geschützte Radwege-Infrastruktur fordern. Solange es diese aber nicht gibt, sind oben genannte Aufstellflächen also kein Widerspruch. Denn sie können Leben retten – sind sofort umsetzbar und kosten in der Regel ebenfalls nur ein wenig weiße Farbe – leider aber auch viel Mut bei den Entscheidern.
Es tut sich vieles in letzter Zeit: Der Ausbau des ÖPNV soll vorangehen, der Radentscheid Hamburg hat mit Erfolg die erste „Kidical Mass“ auf die Beine gestellt, Audi und Daimler versinken immer tiefer im Abgasnebel und Hamburg hat – vor nicht allzu langer Zeit ein Ding der Unmöglichkeit – die ersten Diesel-Fahrverbote im ganzen Land verhängt. Wie sinnvoll das alles ist, wird sich zeigen. Sicher scheint zu sein, dass die Stickstoffdioxid- und Feinstaubwerte an den Messstationen in den fraglichen Straßenabschnitten von Max Brauer Allee und Stresemannstraße sinken werden. Genauso sicher darf man davon ausgehen, dass eben diese Werte entlang der wesentlich längeren Umleitungsstrecken bzw. in den Nebenstraßen steigen werden. Der große Wurf und ein schlüssiges Gesamtkonzept ist das alles sicherlich weiterhin noch lange nicht. Umso wichtiger ist es, im Blick zu behalten, was passiert. „Code for Hamburg“ bietet dazu das passende DIY Know-How. Baut euch ein eigenes Feinstaubmessgerät und gebt die Daten an dieses Opensource und -data Projekt, damit alle Hamburger sehen können, was woher im Winde weht. Nachsehen kannst du es dann hier: https://luft.jetzt/hamburg.
Habt ihr eigentlich auch die Schlagzeilen einiger großer Zeitungen am Tag nach der Einführung des Diesel-Fahrverbots gesehen? Auf einer prangte zumindest sinngemäß der Spruch „Mir doch Wurscht“ groß auf der Titelseite. Erstaunlich, wie sicher sich Autofahrer und -Lobby noch fühlen, wo sie täglich in einem schlechteren Licht dastehen. Wer weiß, vielleicht werden sie gerade durch dieses uneinsichtige Verhalten erst die Grundlagen für noch ganz andere Maßnahmen legen und übersehen dabei großzügig, dass sie sich selbst in den geschlossenen PKW-Räumen noch stärker gesundheitsschädlichen Emissionen aussetzen.
Als nächstes müssen wir noch einmal an unseren offenen Brief an Hamburgs Bürgermeister ran: Wieder mussten wir eine Textpassage anpassen, weil wir bisher einen Text zitierten und mit Quelle belegten, den es bei der Erstellung des Briefes so zwar gab, nun aber leider nicht mehr aktuell und auffindbar ist. Konkret geht es um Aussagen des Copenhagenize Design Teams im „Copenhagenize Index“ der fahrradfreundlichsten Städte der Welt.
Bisher hieß es:
„Das sagen andere über Hamburg:
Die weltweit agierenden Verkehrsexperten des Copenhagenize Design Teams benennen Hamburg als „schwarzes Schaf“ wenn es um die Ernsthaftigkeit der Fahrradstadt geht. Hamburg sei eine „Niete“ im Bezug auf die Modernisierung ihrer (Fahrrad-)Infrastruktur. Hamburg sei anscheinend zufrieden mit dem Status Quo dieser merkwürdigen Infrastruktur, die zwischen Straßenführung und Bürgersteigen ohne jegliche Logik wechselt und darüber hinaus im Winter nicht gereinigt werden.
Beinahe rausgeflogen aus dem Copenhagenize Index der Top 20 fahrradfreundlichsten Städte weltweit wäre Hamburg wegen einer Fehlmeldung („Hamburgs City soll autofrei werden“). Ein Dementi durch Hamburg enttäuschte nicht nur uns unsäglich (warum eigentlich keine vorbildliche City zugunsten des Fußgänger- ,Radverkehrs und des ÖPNV?), sondern verbannte Hamburg vom 11. Platz in 2011 auf Platz 19 im aktuellen Index von 2015 und blamiert unsere Stadt international.“
Gemacht haben wir daraus, weil die 2013er und 2015er Indexe nicht mehr online aufrufbar sind, folgendes:
„Die weltweit agierenden Verkehrsexperten des Copenhagenize Design Teams nannten Hamburg 2013 ein „schwarzes Schaf“, wenn es um die Ernsthaftigkeit der Fahrradstadt geht. […].. Im aktuellen Index der fahrradfreundlichsten Städte der Welt (2017) hat unsere Stadt sich mühsam auf Platz 17 verbessert, die Kritik an Hamburgs Politik fällt dennoch, unserer Meinung nach zu Recht, harsch aus: „Hamburg muss getrennte Radwege bauen, so wie sie es in den 20er und 30er Jahren getan haben, wenn sie ihren stagnierenden Radverkehrsanteil steigern wollen“, sagt Mikael Colville-Andersen – CEO Copenhagenize Design Co.“
Wir bringen diese kleine Änderung ganz bewusst so detailliert. KURS FAHRRADSTADT ist keine Petition, die messbare und somit unmittelbar umsetzbare Vorgaben macht. KURS FAHRRADSTADT ist ein Tool, ein offener Brief, der Einsicht zu gebotenen Änderungen in den Köpfen der PolitikerInnen entstehen lassen soll, so dass sie dann selbst in der Lage sind, richtige, weil wichtige und vernünftige Entscheidungen treffen zu können. Auch deshalb sind wir auf kein Quorum angewiesen sondern freuen uns, je mehr Hamburgerinnen und Hamburger sich dieser Idee anschließen und KURS FAHRRADSTADT unterzeichnen. Über 3.100 Menschen haben es bisher getan. Eben weil wir keine fixe Petition sind, erlauben wir es uns hin und wieder, Passagen anzupassen, wenn es notwendig ist. Ihr könnt euch aber sicher sein, dass wir, wie auch diesmal geschehen, absolut nichts am Kern von KURS FAHRRADSTADT verändern werden!
Schauen wir uns deshalb zuletzt noch einmal die Ratschläge an, die das Copenhagenize Team Hamburg in der 2017er Wertung (Platz 17) gibt:
„Die Trennung der Radfahrer vom motorisierten Verkehr ist von größter Bedeutung. Radwege, die auf Bürgersteigen Platz beanspruchen, sind inakzeptabel.“
Damit ist alles gesagt. Es ist genau das, was wir von KURS FAHRRADSTADT auch wollen und von Beginn an genau so fordern. Es bringt auf den Punkt, warum es so verdammt schwer fällt, wegzukommen von den „Radwegen“, die nur noch – man wird ja „besser gesehen“ – auf die Fahrbahnen gemalt werden: Weil die Vorstellungskraft ganz einfach noch nicht ausreicht, sich gute Radwege da vorzustellen, wo eben keine Fußwege sind. Nämlich nicht hinter Bäumen, parkenden Autos, Litfaßsäulen und Co. Nein, sie sich genau dort vorzustellen, wo heute noch Fahrbahnen für PKW und LKW sind. Erst, wenn Hamburg soweit ist, wird sich auch die ganze Debatte ums „besser Gesehen werden“ als etwas völlig Überflüssiges herausstellen. Erst, wenn Dinge passieren, die man wirklich mit dem Label „Verkehrswende“ beschreiben kann, werden Schockmeldungen wie die, die uns gestern aus Berlin erreichten, hoffentlich der Vergangenheit angehören: Zwei Kinder kamen dort innerhalb von 24 Stunden auf den Hauptstadtstraßen um – nur weil sie „Fehler“ machten. So etwas hat es dort seit 25 Jahren nicht mehr gegeben. Es ist schockierend. „Der Berliner Straßenverkehr ist Barbarei!“
Wir von KURS FAHRRADSTADT geben weiter unser Bestes, damit sich die Straßenverkehrsverhältnisse in Hamburg bald ändern.
Am 26. Juni bietet sich übrigens die nächste Gelegenheit, uns in Ruhe kennenzulernen. Wer also Lust, Energie und Zeit hat, uns zu unterstützen, ist herzlich eingeladen, um 19 Uhr zu unserem Treffen in das Clubheim der „Alsterbrüder“ in der Gustav-Falke-Straße 19, 20144 Hamburg zu kommen.
Herzliche Grüße,
Kai und Team KURS FAHRRADSTADT