Die Martinistraße in Eppendorf soll fit gemacht werden für die Ansprüche von Morgen – kurz, es geht um die vermeintliche „Förderung des Radverkehrs“. Es kommt, wie es in letzter Zeit in Hamburg fast immer gekommen ist, wenn „Gutes“ für die Pedalisten getan werden soll: Auf beiden Seiten werden nun schmale Schutzstreifen eingerichtet, die Radfahrende weiter an den Rand drängen. Garniert wird das Ganze mit einer Mittellinie, die, ebenso wie es Schutzstreifen mit Fahrradfahrenden machen, Autolenker dazu animieren, in ihrer Spur zu bleiben und so den Schutzsuchenden auf zwei Rädern umso mehr gefährlich auf die Pelle rücken. Als Sahnehäubchen gibt’s einen neuen Kreisel an der Kreuzung Curschmannstraße und selbstverständlich keine Tempo 30 Regelung. Soweit, so schlecht.
Das ist nicht alles. Es werden offenbar auch diverse neue Fahrradbügel aufgebaut, was natürlich begrüßenswert ist. Unter anderem dadurch sollen etwa 100 Parkplätze an den Rändern der Martinistraße entfallen, behauptet jedenfalls die CDU. Und damit hat die Partei offensichtlich ein großes Problem.
Der Abgeordnete Ekkehart Wersich der CDU Fraktion Hamburg Nord warf sich heldenhaft in eine Flyer-Verteilungsaktion, um die Leute, die ihre Fahrzeuge noch an dieser Straße parken, über das kommende „Ungemach“ aufzuklären. Zu sehen ist darauf eine Frau, völlig ermattet, ihr Kopf schmiegt sich liebevoll ans Lenkrad. Schlafen im Auto kann so bequem sein.
„Erschöpft von der Parkplatzsuche? Die CDU Bezirksfraktion lädt Sie ein, dabei zu sein, wenn Rot-Grün ihr Parkplatzvernichtungsprogramm vorstellt“
Mit diesem Flyer lädt die CDU Nord alle betroffenen Anwohner ein, sich im kommenden Regionalausschuss im Bezirksamt Nord, Robert-Koch-Straße 17 im großen Sitzungssaal am Montag, 16. April, um 18 Uhr zu informieren. Damit begibt sich die Hamburger CDU auf unterstes Kellerniveau.
KURS FAHRRADSTADT möchte Sie gerne hieran erinnern:
[Einige der Fotos oben sind der kostenlosen Bilderdatenbank pixelio.de entnommen]
Um die Pariser Klimaschutzziele auch nur ansatzweise einzuhalten, diese berühmten 1,5 Grad globales Plus (bitte unbedingt auch dieses hier ansehen und lernen, was ein steigender Meeresspiegel auch für uns konkret bedeutet!), sind radikale Veränderungen im verschwenderischen Lebensstil nicht nur der westlichen Gesellschaften zwingend nötig. Und die CDU Hamburg hat nichts Besseres zu tun, als völlig leichtsinnig und absolut verantwortungslos Stimmung gegen genau das zu machen, was mindestens zu tun ist, um wenn schon nicht das Klima ganz zu retten, dann doch wenigstens in Hamburg einen kleinen Teil, der in eine annähernd richtige Richtung weist, zu sabotieren und zu torpedieren. Der Gegenstand, von dem die Rede ist, trägt den Namen Flächenverteilung im öffentlichen Raum.
Ohne eine neue, gerechtere Flächenverteilung unter den Verkehrsteilnehmenden kann es keine Wende in der urbanen Mobilität von heute geben. Eine Folge der Neuverteilung ist auch der Rückgang von Parkraum im öffentlichen Raum – irgendwo muss schließlich der neu zu verteilende Raum herkommen. Oder möchten Sie, werter Herr Wersich, stattdessen lieber Fahrspuren hergeben? Diese Neuaufteilung allerdings ist Grundvoraussetzung, um einen wirksamen Wandel herbeizuführen. Nur so kann ein Recht auf Mobilität für alle, also das Recht, sich frei bewegen und seine Ziele möglichst jederzeit und überall gut erreichen zu können – zu Fuß, mit dem Rad, mit Skateboards, mit Bussen und Bahnen, und, ja, auch dies, mit Carsharing Autos bzw. mit dem eigenen Auto, gewährleistet werden. Das wiederum bedarf jedoch den massiven Ausbau des Umweltverbundes, also der umweltfreundlichen Verkehrsarten sowie deren intelligente Vernetzung, und die bekommt nur, wer diesen ihren Raum auch zubilligt. Das eigene Auto, vor allem in Innenstadtlagen wie hier in Eppendorf, verliert damit zunehmend an Bedeutung.
Liebe CDU Hamburg (Nord), haben Sie eine Ahnung davon, wie viel Prozent der Verkehrsfläche in Hamburg für das Auto reserviert ist? Wahrscheinlich nicht. Wir auch nicht, denn Zahlen dazu können wir nirgends finden. Es gibt aber Zahlen aus einer Stadt, die mit Hamburg sehr wohl ganz gut vergleichbar ist und zudem Fahrradstadt Nummer 1 in der Welt ist: Kopenhagen. Sie haben sicher davon gehört, dass 62% der Hauptstadt-Dänen mit dem Fahrrad unterwegs sind. Dabei belegen die Radelnden gerade mal 7% der Verkehrsflächen. Wiederum 66% der Verkehrsflächen sind auch heute in Kopenhagen dem Autoverkehr zugeordnet, 12% davon sind Flächen für Parkplätze. 26% stehen Fußgängern zur Verfügung. (Siehe „Arrogance of Space“).
Hamburg dagegen hat einen Modal Split Anteil der Radfahrenden von mickerigen 12% (Siehe „Mobilitätsprogramm 2013“, Seite 65). Es bedarf keiner großen Fantasie, sich auszumalen, warum das so ist und auch, sich auszurechnen, dass Hamburgs Radler sicher noch viel weniger Raum zugestanden wird, als dies in Kopenhagen der Fall ist. In Berlin, zum Vergleich, stehen Radfahrern heute gerade mal 3% der Flächen zur Verfügung. Auch bedeuten diese Zahlen aus Dänemark, dass man sehr wohl eine sehr gute Fahrradinfrastruktur bauen kann, ohne dass sie all zu viel Platz in Anspruch nehmen würde. Es kommt nur darauf an, sie auch wirklich so zu gestalten, dass im Ergebnis sicheres und gefahrloses Radfahren für alle Alters- und Fitnessklassen möglich ist. Dies beinhaltet selbstverständlich auch, dass sich Radfahrende nicht unnötig in den Dooring-Zone Bereich parkender KFZ begeben müssen. Dazu hat gerade der adfc Bundesverband ein neues Positionspapier herausgebracht, welches auf viele der eingangs angesprochenen Aspekte eingeht. Sich an diesem Punkt einzubringen, die Pläne der rotgrünen Regierung zu kritisieren, die vermehrt einen Ausschluss vieler Radfahrender zur Folge hat, wäre in jedem Fall, gerade auch in der Martinistraße, eine für eine großstädtische und zeitgemäße Oppositionspartei angemessene Reaktion. Ganz sicher gehört das egoistische und kleinteilige Jammern über den Wegfall einiger Parkplätze jedoch nicht dazu.
„Miteinander im Straßenverkehr statt Parkplatzvernichtung“
Wenn Städte ihren öffentlichen Raum neu bebauen, möchten sie die Verhältnisse oftmals umsteuern und haben dabei das klare Ziel, Autoverkehr zu reduzieren. Auf Rotterdams Hauptstraße Coolsingel sollen nach dem gerade begonnenem Umbau minus 10.000 Autos weniger am Tag diese Straße durchqueren, dafür kommt ein 4,5 Meter breiter Radweg, der diesen Namen tatsächlich verdient und viel mehr Platz für Fußgänger. Immer wieder kritisiert die CDU, dass ein vermehrter Umstieg auf das Fahrrad sicher nicht mit der Strategie der rotgrünen Fahrbahnpinselei zu erreichen ist. Das sehen wir auch so. Was wir aber nicht sehen, ist, wie die Fahrradförderung der CDU konkret aussieht.
Da hätte KURS FAHRRADSTADT ein paar Ideen, nur mal so zum Überlegen:
Martinistraße über die gesamte Länge des Eppendorfer Parks für den individuellen KFZ Verkehr sperren, passierbar aber für die Busse und selbstverständlich Rettungswagen zum UKE. Zufahrt UKE über den südlichen Teil der Martinistraße sowie Curschmannstraße. Damit einhergehen dürfte ein gewaltiger Rückgang des Durchgangsverkehrs, der sich ohne Probleme auf die gerade mal 185 Meter (!) entfernt liegende Breitenfelder Straße (B5) verlagern ließe. Weniger Autos in der Martinistraße brauchen auch weniger Parkplätze. Wenn dann bedacht wird, dass es im Zuge des UKE Umbaus und den neuen Garagen dort einen großen Zuwachs an Parkmöglichkeiten gab, dürften nun die 100 wegfallenden Plätze, wenn diese Zahl überhaupt stimmt, mehr als kompensiert sein. Somit erfährt der Eppendorfer Park als Naherholungsgebiet eine deutliche Aufwertung zur UKE Seite hin und Lokstedt, Eimsbüttel und Eppendorf könnten hier beinahe eine Radwegverbindung bekommen, wie die Rotterdamer ihn in Coolsingel bald haben werden. Denn laut einer offiziellen Zählung vom 30. Januar (!!!) 2018 an der Kreuzung vorm UKE, fuhren an diesem Tag 4770 Räder in der Zeit von 6 – 19 Uhr, was immerhin einem Radverkehrsanteil von stolzen 26,7% auf der Martinistraße entsprach. Es gilt, dies weiter zu fördern, nicht abzuwürgen. Das, liebe CDU, wäre in der Tat unterstützenswert und ihrer christlichen Partei, die ja sonst so lebensbejahend ist, würdig. Alles andere wäre Kopf-in-den Sand-stecken, welches durch das Festhalten am Status quo dringend notwendige innovative Lösungen verhindert. Damit steht der CDU etwas im Weg: Die CDU.