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Corona + „Radentscheid“: Von wegen mehr Platz auf Straßen – Nächste Städte ziehen an Hamburg vorbei – Senat weiter untätig

Es ist traurig.
Keine temporäreren Coronabikelanes. Kein bisschen mehr Platz für spielende Kinder. Trotz noch aktuellem rot-grünen Senat und der sehr wahrscheinlichen Aussicht auf einen ebenso neuen rot-grünen Senat mit fast 25% starken Grünen in Hamburg gibt es weiterhin keine Pläne, den Menschen, die sich nicht gerade in Autos durch die Stadt bewegen, trotz weiterhin geltendem Abstandsgebot mehr Platz auf den Straßen der Stadt zuzugestehen.

Wir haben gerade vor einigen Tagen darüber berichtet, dass es Städte gibt, die das ganz anders handhaben und vor allem auch aktiv werden, um ihre Bürgerinnen und Bürger noch besser vor einer Virusansteckung zu schützen. Darüber hat gerade auch die ZEIT berichtet („Kommt jetzt die pandemiebedingte Verkehrswende?“ ZEIT ONLINE, 24. April 2020″ und der Nachrichtendienst NahverkehrHAMBURG, „Wie Städte weltweit in der Corona-Krise den Verkehrsraum neu verteilen“, 24. April 2020).

Zu der Liste der Städte, die wir dort aufführten, gesellt sich nun auch Mailand in Norditalien. In der 1,4 Millionen-Metropole, der zweitgrößten in Italien, die auch hart vom Coronavirus getroffen wurde, sollen noch über den Sommer 35 Kilometer bisherige Autospuren in Radwege und Fußgängerbereiche umgewandelt werden. Dies vor dem Hintergrund, dass der Verkehr dort zwischen 30% – 75% abgenommen hatte und dass weiterer Schutz für die Bevölkerung geschaffen werden solle, bevor es Lockerungen des dortigen Shutdowns gibt.

Auch in Brighton und London gibt es Aktivitäten, öffentlichen Raum weiter umzugestalten, um Ansteckungsrisiken mit dem SARS-CoV-2 Virus noch mehr zu minimieren.

Nicht explizit wegen Corona, aber für mehr Verkehrssicherheit hat Brüssel nun entschieden, sich zu entschleunigen. Auf 90% aller Straßen in der Region Brüssel soll ab 2021 Tempo 30 gelten.

Hamburg auf bestem Wege, abzuschmieren bei der Transformation der städtischen Mobilität

In Hamburg hat es dagegen gestern Abend erneut einen schlimmen Unfall offenbar in der Nähe eines Zebrastreifens gegeben. Ein 73jähriger Mann wurde in Duvenstedt von einem Auto angefahren – so doll, dass er dabei durch die Luft geschleudert wurde. Bereits vorgestern wurde ein  vierjähriger Junge auf seinem Laufrad von einem Auto in Hamburg Jenfeld erfasst und mit Kopf- und Beckenverletzungen ins Krankenhaus gebracht. Noch ein Kind erwischte es ein paar Tage eher am 16. April in Hamburg Wilhelmsburg. Alle Unfallopfer wurden schwer verletzt auf unseren Straßen.

Die Untätigkeit des Senats, Chancen nicht zu nutzen, sich Beispiele nicht aus anderen Städten abzuschauen und auch ein klein wenig in eine bessere Zukunft (auch unabhängig von der Corona-Pandemie) blicken zu können, ist einfach erschreckend.

Ein weiteres, ebenfalls trauriges Beispiel liefert die Einigung mit dem Radentscheid Hamburg, womit ein etwaiger Volksentscheid vom Tisch ist. 22.000 Hamburger*innen haben dafür ihre Unterschrift gegeben, auch KURS FAHRRADSTADT hat den Radentscheid unterstützt. Sie alle haben für wesentlich progressivere Ziele unterschrieben als das, was nun am Ende herauszuholen war. Fairerweise muss gesagt werden, dass es durchaus Verbesserungen geben soll: Nennenswert ist dabei vor allem, dass es nun sicherere und inklusivere Schulradwege geben und es Radwege an Hauptverkehrsstraßen zukünftig nur als Kopenhagener Modell, also mit abgesenktem Bordstein geben soll. Das ist deutlich besser als alles, was bisher an Schutz- und Fahrradstreifen gebaut wurde. Auch gut ist, dass es einen Baustopp für weitere gefährliche Radfahrstreifen in Mittellage geben soll („Angstweichen“) und bestehende rot eingefärbt werden sollen.
Eine Schande aber ist es, dass es bei diesen und auch weiteren Ankündigungen keinerlei Zusagen über umzusetzende Streckenlängen in Kilometern und Deadlines geben soll. Keine weitere Rede ist von all den gerade in den letzten Jahren geschaffenen und bestehenden Schutz- und Fahrradstreifen und ob es dort Nachjustierungen geben soll. Letztendlich ist der Kompromiss, für den die Radentscheidler*innen gewiss hart gekämpft haben, eine Aneinanderreihung von Konjunktiven.
Hätte, hätte, Fahrradkette….
(siehe auch: „Dänisch für Anfänger“, taz nord, 22. April 2020)

Vor allem von den Grünen haben wir deutlich mehr Unterstützung für den Radentscheid Hamburg erwartet.

Das alles lässt nichts Gutes hoffen für die Koalitionsverhandlungen von rot-grün, die gestern gestartet sind. Wir erwarten insbesondere von den Grünen (und natürlich auch von der SPD!), dass sie nach dem Hamburger Klimaschutzgesetz nun ein Mobilitätsgesetz á la Berlin zu einem ganz zentralen Bestandteil der Koalitionsverhandlungen machen, welches deutlich über die Zusagen, gegenüber dem Radentscheid Hamburg, hinaus geht.

Einziger Lichtblick zur Zeit ist der Antrag, den die Linke Fraktion der Bürgerschaft eingebracht hat. Darin geht es um mehr Platz für die Menschen zum Schutz vor SARS-CoV-2 und der Einführung von flächendeckendem Tempo 30 in Hamburg. („Abstand halten: Mehr Straßenraum für Menschen ohne Auto!“)

KURS FAHRRADSTADT begrüßt eine solche Initiative ausdrücklich und wünscht sich, dass sie nicht nur aus Corona-Schutzgründen, sondern auch aus Klimaschutz- und Vision-Zero-Gründen nur der Beginn einer bleibenden Veränderung auf Hamburgs Straßen sein kann.

+++ Hier könnt ihr unseren Ursprungs-Beitrag zum Thema lesen: „Corona in Hamburg: Verkehrspolitik auf Tauchstation“ +++

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Eine Antwort auf „Corona + „Radentscheid“: Von wegen mehr Platz auf Straßen – Nächste Städte ziehen an Hamburg vorbei – Senat weiter untätig“

In der Auto- und Raserstadt Hamburg sterben nach wie vor Menschen im Strassenverkehr. Und es wird in keinster Weise von der Politik darauf reagiert und gehandelt! Es ist eine Schande!!!

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