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Fahrradstadt verdaddelt

Gestern fand die Vorstellung der finalen Pläne für die Neugestaltung der Harkortstraße in Altona statt. In der restlos vollen Aula der Theodor Haubach Schule wurde auf meterlangen Stellwänden der gesamte Verlauf der Straße, die schon bald pulsierende Hauptstraße der neuen Mitte Altona werden soll, vorgestellt. Dabei handelt es sich um ein städtebauliches Projekt zur Umwidmung zahlreicher ehemaliger Bahnanlagen des Bahnhofsgeländes Hamburg Altona. Der Stand von Sommer 2017 wurde dem der aktuellen Planungen (noch nicht online verfügbar) gegenübergestellt und zahlreiche hübsche Visualisierungen lassen einem die rechts und links liegenden neuen Quartiere Neue Mitte und Holstenareal (auch die Brauerei Holsten zieht bald an den Stadtrand) als hippe, urbane Wohnräume erscheinen, in denen an alles gedacht wurde.

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Was an dieser Straße bald alles so abgeht, ist schon klar…. Visualisierung der Planungen bei Informationsveranstaltung  in der Theodor Haubach Schule.  Hier ist der Bereich der Kleiderkasse zu sehen.

Die Präsentation, die die steg-hamburg und das Bezirksamt Altona vorstellten, erkennt und benennt klar die Rahmenbedingungen: 1600 Wohnungen im ersten Bauabschnitt der neuen Mitte, weitere 1900 im zweiten Bauabschnitt sowie 1300 neue Wohneinheiten auf dem Holstenareal (Präsentation zur Entwicklung des Holstenareals hier). Hinzu kommen bald vier Kitas, zwei Schulen, ein neuer Park, der sich im Bereich der historischen Kleiderkasse über die Harkortstraße hinweg von Quartier zu Quartier zieht. Genau an dieser Stelle entstehen außerdem noch Sportplätze, eine neue 3-Feldsporthalle für die Schule, die obendrein noch einen Anbau erhält. Im Park, der in einen „Aktiv“ Bereich und einen „Erholungsbereich“ geteilt wird, werden rund um die Kleiderkasse auch Spielplätze gebaut. In den ehemaligen Güterhallen am Ende zur Julius-Leber-Straße hin befindet sich zudem ein neues Nahversorgungszentrum im Bau. Eine Buslinie wird durch die neue Harkortstraße führen, um die neue Mitte Altona ans HVV Netz anzubinden. Dafür werden zwei Bushaltestellen in die Straße kommen, ebenso zwei Zebrastreifen. Kurz, man kann sich bildlich vorstellen, wie lebendig und trubelig es hier in einigen Jahren sein wird, insbesondere rund um den Bereich der Kleiderkasse, dem Herzstück des gesamten Quartiers. Man bekommt eine Ahnung davon, wie viele neue Mitbewohnende (und selbstverständlich auch die jetzt schon hier Wohnenden!) hier gerne mit dem Fahrrad fahren würden. In den neuen, als „autoarm“ gepriesenen Quartieren, wurde die Fahrradstadt allerdings glatt verdaddelt.

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Finale Planung des letzten Endes vor der Stresemannstraße. Nur hier wird es durchgängige „Schutz“Streifen geben. Dank Bürgerbeteiligung gibt’s nun sogar einen Zebrastreifen.

Tempo 30 in der Harkortstraße wird es nur im Bereich rund um die Kleiderkasse geben, sonst gilt Tempo 50. Ob hier, wie von den Anwohnenden ausdrücklich gewünscht, tatsächlich eine Fußgängerampel gebaut wird, steht ebenso noch in den Sternen – die Behörden „prüfen“ das noch. Von heute etwa 5.100 KFZ, die täglich diese Straße durchfahren, gehen die Zahlen auf stolze 10.600 hinauf, die zumindest nach allen bekannten Kriterien im größten Teil der Harkortstraße erwartet werden. Zum Vergleich: Durch Eimsbüttels Osterstraße rauschen täglich etwa 13.000 KFZ. Dementsprechend wird eine Art Boulevard-Autobahn mitten durch ein dann sehr stark besiedeltes Wohnquartier führen, diverse alte Bäume fallen, dafür kommen viele Mittelstreifen und Inselchen, Osterstraße 2.0 lässt grüßen (Siehe auch: „Bummler stechen Radler aus“). Ach ja: Radfahrende bekommen Schutzstreifen ab etwa der heutigen Brauereieinfahrt bis zumindest zur Bahnbrücke kurz vor der Stresemannstraße. Wie es unter der Brücke bis zur Kreuzung weitergeht, wurde erst gar nicht gezeigt. Fast im gesamten restlichen Bereich der neuen Harkortstraße wird es nicht mal Schutzstreifen geben – bei Mischverkehr bis zu Tempo 50. Für junge und ältere Menschen auf dem Fahrrad ist das eine Zumutung.

Weit schlimmer, als diese schlechte Lösung für den Radverkehr indes ist jedoch die Tatsache, dass zwischen den Clustern Bahnhof Altona, der neuen Mitte und weiter über den zukünftigen Fernbahnhof am Diebsteich sowie rüber ins nahe Zentrum von Eimsbüttel nicht eine einzige Radverkehrsverbindung geschaffen wird, auf der sicheres, möglichst gefahrloses radeln möglich ist.  Die neuen Hotspots Hamburgs haben es also nicht nötig, eine Verbindung zu bekommen, die sich auch nur annähernd als Premiumradweg bezeichnen lassen kann. Angesichts der Tatsache, dass demnächst die recht parallel verlaufende Max Brauer Allee neu gebaut wird (Räder und Busse auf einer Straßenseite auf gleicher Spur, sonst nur die üblichen Pinseleien, Planungen hier) und es dazwischen auch noch die Haubachstraße gibt, ist das Ergebnis in dieser Beziehung nur noch unterirdisch. Eindrucksvoll wird vorgeführt, wie undurchdachte und rückschrittliche Planungen durchgedrückt werden, weil nach wie vor zu sehr auf einzelne Straßenprojekte geblickt wird. Einzelne Straßen, die allen, vor allem den Autos, alles bieten sollen und darum nicht sein können, wie sie sein müssten. Um mehr Menschen zum Umstieg zu bewegen und vom Fahrradfahren zu begeistern. Wo, wenn nicht in fast komplett neu zu bauenden Quartieren in Stadtteilgröße sollen sonst jemals in dieser Stadt solche Radwege entstehen können? Wo, wenn Fehler aus der Hafencity wiederholt werden? Für den rotgrünen Fahrrad-Senat bleibt daher nur eines zu sagen: Neue Mitte Altona – Treffer! – und Fahrradstadt versenkt.

Gegen die nach wie vor autozentrierte Mobilitätspolitik mit all seinen negativen Begleiterscheinungen gibt es aber immer mehr Widerstand: Hier, auf KURS FAHRRADSTADT, wo bald 2000 Menschen unserem Bürgermeister sagen, dass es so nicht weitergeht. Auch du kannst die Petition von KURS FAHRRADSTADT hier auf change.org unterzeichnen und dich über vieles Weiteres, z.B. unser FAQ (Was wir wollen, in Kurzform)  und Termine von uns auf unserer Kampagnen-Hompepage informieren. Erzählt gerne Freunden und Bekannten von dieser Aktion, so könnt ihr uns ganz einfach helfen.

Mächtig Gegenwind für den Senat gibt’s auch aus Ottensen:

Für den 24. Januar ruft die Ottenser Bürgerinitiative „Ottenser Gestalten“ zu einer Verkehrsberuhigungsdemo auf. Kommt mit Rad, Roller oder Bollerwagen um 16:00 Uhr in die Mottenburger Twiete!

kfhhlogo-change-org

Hier unterzeichnen!

2 Antworten auf „Fahrradstadt verdaddelt“

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