Moin allerseits,
auch die zweite RAD-DEMO von KURS FAHRRADSTADT war ein schöner Erfolg. Selbst die plötzliche Kälte konnte weder uns noch die hartgesottenen Radfahrer*innen davon abhalten, sich die Straße einfach mal wieder für uns zurückzuholen und zu zeigen „Hey – so geht ein guter Radweg!“.
„Würden Sie hier Kinder ab 10 Jahren alleine auf der Straße radeln lassen?“
48% verneinen, weitere 37% nur ungern.
Punkt 12 starteten wir das „Mobilitätslabor“ Osterstraße und gingen mit etwa 14 Mithelfenden auf ganzer Länge zwischen Schwenckestraße und Hellkamp auf die Straße, um die Stadtauswärtsfahrbahn für den MIV Verkehr zu sperren und dieses Stück öffentlichen Raum in einen wunderbaren Zweirichtungsradweg umzufunktionieren. Es klappte einwandfrei; nur am Beginn der Strecke – oder dem Ende für Autofahrende, wie man es nimmt -, gab es zunächst Einwände der KFZ-Lenkenden, die nicht einsehen wollten, warum es für sie hier plötzlich nicht mehr weiter gehen sollte. Das Ergebnis war absehbar und die Kreuzung zunächst schnell verstopft, obwohl wir auf die Ausweichmöglichkeit hinwiesen. Es brauchte dann doch die Polizei, die Hilfestellung leisten musste. Kurz später stand unser Radweg, wurde freigegeben und sogleich ausgiebigst in den Stresstest genommen. Zeitgleich startete auch unsere zugehörige Umfrageaktion. Wir wollten nämlich wissen, wie die Aktion angekommen ist – und was sich die Menschen hier wünschen. Dazu am Ende mehr.
Etwa 30 Demonstrierende, unsere „Radstatisten“, zählte der Mobilitäts-Blog „Nahverkehr Hamburg“. Es werden wohl mehr gewesen sein, zählt man auch die all diejenigen mit, die diese RAD-DEMO überhaupt erst ermöglicht haben. Viel wichtiger als die absolute Teilnehmenden-Zahl war uns jedoch, möglichst viele Menschen mit dieser Aktion zu erreichen. So sind alle Radfahrenden, die zufällig während dieser Stunde über diesen Abschnitt der Osterstraße radelten, mit der Demo in Berührung gekommen und wurden selbst zu Testenden. Vor allem für sie war diese Demo gedacht.


Der Zweirichtungsradweg
Warum denn nicht? Diese RAD-DEMO hat den Beweis gebracht, dass es sehr wohl möglich ist, auch auf engen Osterstraßenabschnitten gute Radwege umzusetzen. Kaum etwas geht einfacher, als mit Pollern einen solchen Radweg als schnelle Lösung vom Autoverkehr abzutrennen und die Straße hier zur Einbahnstraße umzuwidmen. Das Argument, es gebe keinen Platz, wurde bestens widerlegt.
„Mehr Raum für’s Rad? Viel zu einfach, Olaf!“ Wieso der Bürgermeister uns keine simplen Verbesserungen zubilligt, bleibt ein Rätsel“, meint Critical Mass Altona
Auch widerlegt wurde, dass diese Lösung zu eng für die Radfahrenden sei. Einen Zweirichtungsradweg auf einer vollen KFZ Fahrbahn einzurichten, reicht bei dem Radverkehraufkommen in der Osterstraße allemal aus, selbst, wenn dieses noch signifikant ansteigen sollte. Normale Räder zusammen mit Lastenrädern kamen sich nicht in die Quere. Auch muss bedacht werden, dass im echten Betrieb Poller nur zur KFZ-Seite hin stehen würden, während die Mitte des Radweges lediglich mit einer gestrichelten Linie markiert wäre und Überholen somit möglich ist. Wir sollten aber auch ehrlich sein: Wir fordern die gleichen Rechte wie sie der KFZ Verkehr hat – dass heißt im Falle der Osterstraße eben auch, dass sich Radfahrende u.U. nur dann überholen können, wenn es keinen Gegenverkehr gibt. Eine sichere Spur pro Richtung ist doch auf jeden Fall besser als gar keine. Wir Radfahrenden sollten es – allein unserer eigenen Sicherheit wegen – entspannt angehen lassen und uns über ein großes Stück mehr Raum freuen, als wir diesen aktuell auf dieser Straße zugestanden bekommen.
„Schwierig“ sei die Lösung des Ein- und wieder Ausfädelns aus dem neuen Radweg in den übrigen fließenden Verkehr. Klar, da konnten wir auf der Demo natürlich nicht die perfekte Lösung zeigen. Aber auch eine solche kann es geben. Der Zweirichtungsradweg kann bereits am Kreisel Methfesselstraße beginnen, somit sollte es absolut keine Probleme bereiten, quasi auf der Gegenrichtungsseite IN den Radweg zu gelangen. Das Ende wäre dann an der Schwenckestraße, hier bräuchte es lediglich eine Fahrradampel, ggf. zusätzlich eine extra Aufstellfläche für Radfahrende vor der KFZ Haltelinie, und schon wird sicheres Queren der Kreuzung ermöglicht. Wer sagt denn, dass eine Fahrradampel hier nicht fahrradfreundlich geschaltet werden könnte? Einmal kurz grün, jedes Mal, bevor die Ampeln für KFZ Verkehr die Richtung wechseln. Wer sagt, dass der Nachtbus nicht mehr fahren könne dann? Für ihn könnte die Durchfahrt erlaubt bleiben.
KURS FAHRRADSTADT interessiert nicht, was nicht geht. Wir geben Denkanstöße und sind uns sicher, dass es für alles gute Lösungen geben kann.
Verkehrszeichen passen nicht? Baut so, dass sie passen! Oder lasst der Kreativität genauso viel Raum, wie dies für KFZ Verkehr in Hamburg selbstverständlich ist – bestes Beispiel war jahrzehntelang und ist immer noch die Sierichstraße, eine sich wandelnde Einbahnstraße, die es laut STVO so niemals hätte geben dürfen….





Mehr Sicherheit
Entspannt radeln, keine Angst mehr haben müssen davor, abgedrängt, geschnitten oder ausgebremst zu werden, keine ständig und überall vor Einem auf Schutz- und gern auch Fahrradstreifen stehende Autos mehr, denen man ausweichen müsste, keine tödliche Dooring-Zone mehr, weil Parkplätze auf dieser Straßenseite ganz einfach mit weiteren Bänken oder Fahrradständern versehen werden können. Autos kämen dennoch an jede Stelle in dieser Straße. Zu jeder Zeit. Mehr Win-Win geht eigentlich nicht.
Mehr Lebensqualität
Mit dem Zweirichtungsradweg würde sich der Autoverkehr in der Osterstraße schlagartig fast halbieren. Das heißt weniger Lärm und weniger Abgase. Gleichzeitig entstünde weiterer Raum, der den zu Fuß Gehenden zugute käme. Sie werden die letzten sein, die damit ein Problem haben dürften, schließlich sind sie es ja auch, in deren Augen und deren Bedürfnissen nach der Umbau der Osterstraße ganz eindeutig viele Vorteile gebracht hat. Zudem würde die Transportleistung dieser Straße enorm steigen: Nur etwa 2.000 Personen kann eine normale KFZ Fahrspur in PKWs pro Stunde befördern – dagegen auf gleichem Raum jedoch etwa 10.000 Personen auf Fahrrädern. Die Osterstraße wird fit für die Zukunft.


Wir halten die Diskussion am kochen!
Es ist eindeutig unser Ziel, Hamburg voranzubringen, was die Verkehrswende betrifft. Dafür sammeln wir die Unterschriften an Bürgermeister Olaf Scholz. Über 1.800 haben wir bereits. Noch viel zu wenig, damit die Belange der Radfahrenden ernst genommen werden. Deshalb gehen wir auf die Straße. Damit wir gesehen werden, damit jeder mitmachen kann und über KURS FAHRRADSTADT berichtet wird. Das ist gelungen: Am Abend gab es einen guten Beitrag im Hamburg Journal, „Nahverkehr Hamburg“ berichtet, hier und auf twitter wird eifrig diskutiert. Zudem landeten wir gestern auf der Titelseite des Elbe-Wochenblatts. Denn das ist unser anderes Hauptziel – nämlich viele Menschen zu erreichen, sensibilisieren und zu begeistern. Bewusst halten wir so als gewollten Nebeneffekt die Diskussion am Laufen. Das Wochenblatt startet eine Umfrage, wie sie unsere Lösung finden, „Nahverkehr Hamburg“ nimmt sich zur gleichen Zeit die Flaschparker in der „Falschparkhochburg Osterstraße“ vor. Es ging also richtig rund, der erste Adventssonnabend in Eimsbüttels Einkaufsmeile.


Die Umfrage
Für Hamburgs UN-Agenda 2030 muss auch über das nachgedacht werden, was die Menschen in dieser Stadt bewegt. In einem „Mobilitätslabor“ möchte Umweltsenator Jens Kerstan strittige Konflikte und Lösungen rund um Hamburgs Verkehr erörtern und entwickeln, im Herbst 2017. Nun ist das Jahr fast rum, wir haben davon nichts mehr gehört und helfen einfach ein wenig nach. Zu dritt und mit Klemmbrett unterm Arm interviewten Mitorganisatorinnen diverse Passanten und stellten allen die gleichen Fragen, bekamen aber auch viele Antworten. So entwickelten sich viele Gespräche am Rande und Kinder freuten sich über Bio-Gummibärchen, die wir verteilten. Die Ergebnisse, die wir bekamen, überraschen uns keineswegs – sollten aber vor allem in einigen Behörden zu weiterem Nachdenken anregen:
„Würden Sie hier Kinder ab 10 Jahren alleine auf der Straße radeln lassen?“
37% sagen „ungern“, stolze 48% sagen sogar eindeutig „nein“. Nur 11% haben keine Probleme.
(Hintergrund: Kinder ab 10 Jahren müssen laut STVO diese „Fahrradinfra- bzw. Nichtinfrastruktur [nur lausige Sharrows/Piktogramme] benutzen, wenn eine solche z.B. auf der Fahrbahn angelegt ist. Fähig, sich dabei auf all die Gefahren konzentrieren zu können, sind sie in diesem Alter jedoch noch nicht.
52% der Befragten sind zwar insgesamt mit dem Umbau zufrieden, was zeigt, dass es in die richtige Richtung geht. Und doch: Bis zu 78% gaben an, dass sie mit der Gesamtlösung, wie sie heute ist, noch nicht zufrieden sind.
„Es ist schöner geworden, aber leider sieht man das Schöne nicht.“ (wegen der vielen PKW, Lieferwagen etc) – dies ist nur eine von vielen Rückmeldungen auch über die gestellten Fragen hinaus, die wir erhielten.
Liebe Verantwortliche – kann es sein, dass an irgendetwas vorbei geplant und gebaut wurde? An den Bewohner*innen Eimsbüttels z.B.?
Alle Ergebnisse unseres Mobilitätslabors gibt’s hier:
Auswertung Passantenbefragung Osterstraße, 2.12.2017, 12:00 – 13:00 Uhr, PDF
An dieser Stelle möchte ich mich bei allen bedanken, die zum Erfolg auch der zweiten RAD-DEMO von KURS FAHRRADSTADT beigetragen haben. Für die nächste Zeit werden wir uns auf unsere Kernkompetenz, das Sammeln von Unterschriften, besinnen und mit uns das selbe tun. Im neuen Jahr geht’s weiter, dann geht KURS FAHRRADSTADT auf Hamburg Tour. Meldet euch gerne bei uns, wenn ihr gute Ideen für weitere Aktionen habt. Nur zusammen mit vielen von euch können wir noch schlagkräftiger Auftreten und größere Dinge auf Räder und Beine stellen. Wir freuen uns drauf.
Wir wünschen euch eine schöne Advents- und Weihnachtszeit.
Kai und das Team von KURS FAHRRADSTADT.
Diskutiert mit uns!
Wie ist unsere Aktion bei euch angekommen? Was sagen Radfahrende, Fußgänger, Geschäftsinhaber und Autofahrende? Was können wir besser machen?
Nutzt bitte die Kommentar-Funktion am Ende dieser Seite. Vielen Dank.
Presse und Medien:
„Fahrraddemo Osterstraße“, Hamburg Journal, 2. 12. 2017
„Erstes Adventswochenende: Falschparker-Hochburg Osterstraße“, Nahverkehr Hamburg, 4. 12. 2017
„Weihnachtsmänner zu Fuß und auf zwei Rädern“, Elbe Wochenbaltt, 6.12.2017
sonst noch:
„Zweirichtungsradweg statt Kfz-Fahrspur Osterstraße, Eimsbüttel“, Youtube-Video