
Ein Tag im Superbüttel
Der Wecker klingelt um halb sieben und Familie Brödermann schält sich aus den Betten. Eine Familie, wie es sie viele in Hamburg gibt: Mama Paula arbeitet meistens im Homeoffice für eine Umzugsfirma, Papa Stefan ist Abteilungsleiter in einem Pflegeheim in Schnelsen, Lara-Mia, 14 Jahre, besucht eine Stadtteilschule in Hoheluft und Max, der Jüngste, geht noch in die 6. Klasse der Schule in der Rellinger Straße. Die Brödermanns wohnen in einer der vielen Altbauwohnungen im Weckmannweg – seit knapp drei Jahren also mitten im ersten Hamburger „Superbüttel“.
Nach dem Frühstück geht alles ganz schnell: Lara-Mia schiebt ihr Rad aus einer der neuen überdachten Fahrradgaragen auf die Straße heraus, Stefan faltet sein cooles Klapprad auseinander, worauf er so stolz ist, dass es unbedingt im Wohnzimmer an der Wand hängen muss und beide machen sich auf den Weg zur Schule und zur Arbeit. Max dagegen rollert einfach mit dem Kickboard drauf los – mitten auf der Straße und direkt in die Schule. Daran, wie es hier früher war, können sich die Brödermanns nicht mehr erinnern. Innerhalb kürzester Zeit hat sich nach einem Verkehrsversuch, der vor drei Monaten verstetigt wurde, etliches ganz grundsätzlich verändert. 80% der Straßen wurden weiter beruhigt, Spielstraßen, Schrittgeschwindigkeit und Fußgängerzonen eingeführt.
Natürlich gab es anfangs Gegenwehr und Proteste von Seiten der Autobesitzer, die nicht mehr direkt vor der Tür und sei es in zweiter Reihe parken konnten. Weil die neue Quartiersgarage – der Greenpark – jedoch gesetzt waren und das Quartier hier bevorrechtigt Stellplätze anmieten konnte, überzeugte der Effekt vor der eigenen Tür unmittelbar.
Smarte Strategie begeistert alle – auf ganzer Linie
Als das Superbüttel an den Start ging, behalf man sich zunächst mit einfachen Lösungen: Drei Meter breite, farbige „Fairness-Zone“ und Spielstraßen-Symbole wurden auf den Boden bei den Einstiegen ins Superbüttel gebracht. Streetart-Künstler gestalteten zusammen mit Schülerinnen und Schülern der Relli ikonische Muster auf einigen Kreuzungen. Neue, mobile Holzkübel, die mit vielen Bewohner*innen in einer gemeinsamen Aktion bepflanzt wurden, manifestieren die neue Flächengerechtigkeit im Rekordtempo. Um selbst Skeptiker zu überzeugen, entschloss man sich, zweigleisig zu fahren: Während der Großteil des Straßenraumes provisorisch neu abgesteckt wurde, hatte man gleichzeitig begonnen, die Highlights des neuen Quartierplans direkt in Gänze umzusetzen. Die Superbüttler schlossen ihre neuen Freiräume vor der Schule, dem Spielplatz, an der Apostelkirche und in der Matthesonstraße super schnell ins Herz, sobald die Baustellen, bei denen mächtig auf die Tube gedrückt wurde, für sie freigegeben wurden. Immer mehr Menschen konnte das Konzept auf diese Weise überzeugen, zu dem übrigens auch ein von Beginn an autonom im Superbüttel und bei Bedarf abrufbarer Kleinbus gehört, der vor allem den älteren Menschen die Angst vor Veränderungen nahm. Inzwischen haben sie längst erkannt, dass sie viel mobiler als je zuvor wurden. Immer mehr Leute schafften ihre Autos ab, weil sie merkten, dass es ohne plötzlich alles viel entspannter war, dass viel mehr Geld für anderes zur Verfügung stand und der Tag ohne langes Parkplatzsuchen mehr Freizeit ermöglichte. Dank mehrerer Mobility-Stationen ist fast immer ein freies Auto zum Leihen in der Nähe, wenn tatsächlich mal eines gebraucht wird. Das übrigens war auch einer der Gründe, warum im zweiten Ausbauschritt pünktlich zum zweiten Geburtstag des Superbüttels eine weitere Runde von Parkplatzumwidmungen relativ geräuschlos über die Bühne ging. In diesem Zuge wurden nach und nach die Straßen weiter nach den Superbüttel-Kriterien umgestaltet. Vor einigen Monaten ist nun alles fertig geworden. Statt ursprünglich 34% Autobesitzern in Superbüttel ist die Quote auf nur noch 9% weiter abgesunken – eine enorme Erfolgsgeschichte, die selbst international für Furore sorgt. Inzwischen mischt Hamburg mit in der Liga der Städte Barcelona mit ihren Superblocks, mit Stockholms „Hamarby Sjöstad“ (ab Seite 12 im Dokument) oder Wiens „Seestadt Aspern“. Vor allem ist man auch im Rathaus stolz darauf, diese Entwicklung sogar mit einem bestehenden, urbanen Wohnquartier und eben nicht mit einem völlig neu geplanten Quartier wie zuletzt Oberbillwerder geschafft zu haben – übrigens einem Stadtteil, in dem die hohen Erwartungen leider genauso hoch enttäuscht wurden.
Weniger Autos – und trotzdem viel mobiler!
Max rollert in die Rellinger Straße und mitten auf ihr der Schule am anderen Ende entgegen. Überall laufen Kinder, auf den Wegen, der Straße; hier spielt es keine Rolle mehr, wo man geht oder fährt. Das eine Auto, das hinter den übrigen Schülern in Richtung Schule fährt, bleibt geduldig hinter den Kindern auf der Fahrbahn. Als die neuen Spielstraßen hier eingerichtet wurden, war es mit dem Beginn des zweiten Sommers geschafft: Die Menschen begannen ganz einfach, wie selbstverständlich die Fahrbahnen als Teil auch des Gehwegs zu verstehen und genossen den vielen Platz, der sich ihnen nun bot. Weil das Superbüttel Relliquartier ein reines Wohngebiet ist und sehr viele Menschen hier leben, taten eben sehr viele Menschen von nun an das Gleiche – und liefen auf ihren Straßen. Der Plan, das Quartier spürbar weiter zu beruhigen, war, wie erwartet, aufgegangen.
Mit Schwung saust Max vorbei an diversen Holzkübeln, in denen die Menschen Kräuter und farbenprächtig blühende Blumen pflanzten. Etwa alle siebzig Meter wurden neue, überdachte Fahrradparkmöglichkeiten mit teilweise begrünten Dächern geschaffen. Genial war die Idee, die Rückseiten dieser Fahrradgaragen mit integrierten Paketfächern auszustatten. Peter, ein Paketzusteller, der selbst mit einem Lastenrad austeilt, erklärt das Prinzip: „Wir haben eine Art Generalcode. Die Nachbarn haben jeweils ihren eigenen, er wird zufällig generiert, sobald ich ein abgelegtes Paket hier deponiere. Dann leuchtet auf einem Display der Name des Empfängers auf und der wiederum bekommt per App seinen Zugangscode mitgeteilt. In den Postshop läuft hier seit ein paar Jahren niemand mehr. Eigentlich ganz easy alles“. Er verabschiedet sich und räumt weiter lauter Kartons in die Paketstation.
Kurze Wege sind Programm – sogar für Pakete
Die Mittagspause verbringt Paula draußen auf der Straße gegenüber der Apostelkirche. „Na, Heinz?“, grüßt sie den älteren Mann, den hier nur alle Opa-Heinz nennen. Opa Heinz sitzt jeden Tag auf der Bank an „seiner“ grünen Straßeninsel. Diese Aufenthaltsinseln brechen die früher geschlossenen Parkplatzreihen in der Mitte der Straßen auf und locken mit bequemen Sitzmöbeln zum Verweilen. Fast jede Straße hat auf diese einfache Weise nette kleine Treffpunkte bekommen und frisches Grün und duftende Blumen lassen erahnen, warum sich Opa Heinz so wohlfühlt hier. Er hebt kurz seine Hand und grüßt zurück.
Kurz später trifft sie Jette und Klaus an der Schulbank. Die Schulbank drücken nämlich längst nicht mehr nur die Kinder in der Schule Rellinger Straße, sondern auch die Großen draußen vor der Tür. Niemals hätte sich Paula vor einigen Jahren vorstellen können, dass dieser Ort tatsächlich ein so schönes Fleckchen im Superbüttel werden könnte. Sie setzen sich in die Liegeschalen auf dem überdimensionierten Stadtmöbel, packen ihr kleines Mittagspicknick aus und genießen die Sonne und das üppige Grün, die vielen bunten Blumen und das Treiben auf der Rellinger Straße, wo Autos heute nichts mehr zu suchen haben. Klaus zeigt ihr und Jette stolz seine Kürbispflanze im Hochbeet, die schon bald erste Früchte trägt und beeindruckend gewachsen ist. Alle drei haben das gemeinsame Urban-Gardening für sich als neues Hobby entdeckt und darüber viele neue Bekanntschaften im Quartier gemacht.
Nachbarschaft mit Herz – klare Sache im Superbüttel!
Stefan kommt von seiner Schicht wieder nach Hause geradelt. An der Ecke der Matthesonstraße, bis vor einigen Jahren alles mit Autos zugeparkt, haben die ersten Leute an diesem sonnigen Freitagnachmittag Hängematten und Slacklines zwischen die installierten Multistangen gespannt und chillen nun in der Abendsonne. In dem kleinen Urban-Streetpark hört man Lachen und Gesprächsfetzen, manche haben einfach ihr Abendbrot mit nach unten auf die Straße genommen und beginnen so ihr Wochenende. Inzwischen ist dieser Anblick alltäglich, nichts Neues mehr im Superbüttel. Nicht nur an der Matthesonstraße, auch an der Lappenbergsallee ist ein Park an der Ecke zur Methfesselstraße entstanden, an der Voigtstraße ist der Spielplatz buchstäblich in den Straßenraum hinausgewachsen und der Bereich vor der Relli-Schule wurde autofrei.
Nach der Schule hat sich Mia-Lara mit ihren Freunden an der Kletterwand am „Superbüttel Greenpark“ verabredet. Das ist die neue Quartiersgarage, die gebaut wurde, wo am Beginn der Faberstraße am Eimsbütteler Marktplatz nur wenige Parkplätze viel zu viel Platz verschwendeten. Der Clou des terrassenförmig angeordneten Greenpark ist aber das begrünte Dach, auf das man über Treppen von außen hinaufsteigen kann. Während unten Autos durch das Gebäude vom Quartier auf die Hauptstraße fahren, sammeln oben Bienen ihren Honig in extra für sie gepflanzten Lavendelbüschen. Die Bienenkörbe stehen auf dem Südende des Daches, welches dort gesperrt ist und der erste Superbüttel-Greenpark-Honig wurde schnell zum heißbegehrten Renner im Quartier. Der Rest des Daches ist frei zugänglich für alle und hat sich zu einem neuen Hotspot der Jugend im Quartier entwickelt. Lara-Mia und ihre Freunde treffen sich an schönen Tagen fast immer an der hohen Kletterwand des Greenparks und testen jedes Mal ihr Können auf’s Neue.
Ob sie sich vorstellen könne, hier vielleicht bald wegziehen zu müssen?
Lara-Mia fällt der Gedanke daran schwer. „Klar, bald bin ich fertig mit der Schule. Dann werde ich studieren, vielleicht im Ausland. Aber vermissen werde ich all das hier dann schon, glaube ich.“ Einen Moment lang wirkt sie sehr nachdenklich, aber dann huscht das nächste Lächeln über ihr Gesicht. „Ich will in Oslo oder Stockholm studieren – die sind noch viel weiter als wir hier in Hamburg – total klasse dort! In so einer Autowüste, wie das hier früher gewesen ist, will ich jedenfalls nicht mehr leben!“. Sie gurtet sich an und klettert unter den Blicken ihrer Freundinnen und Freunde los.
Hauptsache ganz nach oben.
Herzlich willkommen im Superbüttel von
KURS FAHRRADSTADT
Was ist ein Superbüttel?
KURS FAHRRADSTADT hat Kriterien definiert, die ein Superbüttel ausmachen. Das Wichtigste: Der Mensch steht im Mittelpunkt.
Der Plan
Wir haben das erste Superbüttel rund um die Rellinger Straße zwischen Eimsbütteler Marktplatz, Lappenbergsallee, Langenfelder Damm und der Kieler Straße vorgedacht. Mit unserem Superbüttel-Konzept sieht es hier in Zukunft ganz anders aus. Ladet euch den Plan herunter und entdeckt die vielen Details.
So sieht’s aus!
Lust, Neues zu entdecken? Dann führen wir euch gerne durch’s neue Superbüttel. Ihr werdet erstaunt sein, was es hier alles gibt! Wahrscheinlich auch darüber, wie einfach das meiste davon ist. Wir erklären euch, was wir uns gedacht haben und zeigen euch, wie es aussieht. Hereinspaziert!

Die Superbüttel-Story
Familie Brödermann wohnt im Weckmannweg. Seit knapp drei Jahren mitten im Superbüttel. Begleite Lara-Mia, Max, Paula und Stefan einen Tag durch ihr Wohnquartier. Daran, wie es früher mal war hier, können sie sich kaum mehr erinnern. Wozu auch?
Hintergrund,
Fakten, Zahlen, Links
Warum hat KURS FAHRRADSTADT sich für dieses Quartier entschieden? Wie sieht es aus mit Flächengerechtigkeit, wer wohnt hier eigentlich und wie bewegen sich die Menschen heute schon im Quartier? Wir haben alles rund um’s Superbüttel für euch zusammengetragen.
Sensationelle Ergebnisse aus der Superbüttel Umfrage
Fast drei Wochen waren unsere Aushänge im Superbüttel an allen Haustüren, in Cafés, Geschäften, der Kirche, Galerien und Handwerksbetrieben zu sehen. Sehr viele Bewohner*innen nutzten die Gelegenheit und sagten uns ihre Meinung.
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KURS FAHRRADSTADT
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