Ihr Lieben,
hinter uns liegt eine recht bewegte Woche vor Ostern – dies hatten wir in erster Linie der Eimsbüttler SPD-Fraktion zu verdanken. Viel Arbeit, die sich zumindest insofern gelohnt hat, als dass die Themen – sichere Schulwege im Schulcluster Eimsbüttel sowie eine weitere Beruhigung der Osterstraße – nun auch medial wieder auf der Agenda stehen.


Am Montag, 14. April, standen Entscheidungen im KGA (Kerngebietsausschuss im Bezirksamt Eimsbüttel) an. Dabei ging es um beide gerade erwähnten Dinge. Hier könnt ihr nachlesen, worum genau es da geht und was die Hintergründe für unser Handeln waren; immerhin war KURS FAHRRADSTADT nach längerer Zeit darum am 10. April wieder mit einer Demo auf den Straßen Eimsbüttels unterwegs.
Um den Druck auf die Bezirkspolitiker:innen noch weiter zu erhöhen, gab es vier Tage später, unmittelbar vor der vermeintlich entscheidenden Sitzung, eine weitere Demonstration für das Schulcluster Eimsbüttel, dieses Mal organisiert von Elternräten der Schulen Kielortallee, Emilie-Wüstenfeld-Gymnasium und Ida Ehre Schule.
Die zweite Demo endete direkt vor den Grindelberghochhäusern und pünktlich zum Beginn der Versammlung betraten nicht nur die Bezirkspolitiker:innen, sondern auch viele Kinder und ihre Eltern den Sitzungssaal in der 12. Etage. In der „Fragestunde für Bürger“ wurde insbesondere die SPD nach den Motiven ihrer ablehnenden Haltung befragt, nicht nur von den Großen, sondern auch von mehreren mutigen Schülerinnen und Schülern. Dabei wurden beide Themen angesprochen, Schulcluster und Osterstraße.

Die Antworten klangen toll, etwa so: „Schön, dass ihr gekommen seid! Wir wollen natürlich auch das Beste für euch und eure Schulwege, denn eure Sicherheit liegt uns sehr am Herzen“.
Dass Politik oft schön klingen, dabei aber durchaus etwas ganz anderes meinen kann, konnte man hier und in den Tagen danach wunderbar lernen. Allein die Tatsache, dass überhaupt um Umsetzungsgrade gerungen werden muss, wo es doch schlicht um jahrelang und passgenau ausgearbeitete Konzepte ging, die nichts anderes tun, als Schulwegsicherheit ernst zu nehmen, ist schon bezeichnend genug. Am Ende zieht die SPD ihren Alternativ-Antrag, der nur sehr wenige Dinge eines umfangreichen Plans umsetzen wollte, zurück. Das Gleiche passiert mit ihrem ablehnenden Antrag, der eine weitere Verkehrsberuhigung in der Osterstraße hin zu einer Tempo 20 Geschäftsstraße verhindern wollte.

Der alternative Antrag der SPD zum Schulcluster steht nun unverändert erneut auf der Tagesordnung der kommenden Bezirksversammlung am 24. April.
Ebenso taucht auch der SPD Antrag zur Osterstraße auf der gleichen Tagesordnung wieder auf, dieser nun allerdings leicht verändert.
Statt wie zuvor komplett alles beim Alten lassen zu wollen und damit weiterhin Tempo 50 auf der quirligen Geschäftsstraße beizubehalten, wird nun – Überraschung! – Tempo 30 (statt wie von der Verwaltung Tempo 20 vorgeschlagen) gefordert.
„Ein Schutzstreifen für Radfahrende bleibt auf der [geforderten] Tempo 30 Strecke bzw. den Tempo 30 Strecken dort bestehen, wo er bisher verläuft“, heisst es nun im überarbeiteten SPD-Antrag.
Dazu hatte die Verwaltung aber selbst bereits festgestellt:
„Einrichtung von Radfahrstreifen aufgrund des bereits untermaßigen Mittelstreifens und der Bestandsbäume nicht möglich.“
Zu Tempo 30 schreibt das gleiche Amt:
„Tempo 30 – Regelung nicht anordnungsfähig, da Voraussetzungen wie z.B. Unfalllage, Lärmbelastung, Wohngebiet, Schule, Kita etc. fehlen.“
Vorsichtshalber schiebt die SPD Fraktion im nun erneuerten Antrag denn auch hinterher:
„Sollte die Einrichtung der Tempo-30 Strecke bzw. der aufeinanderfolgenden Tempo-30-Strecken auf dem Abschnitt Schwenkestraße bis Schulweg nicht möglich sein, wird der Straßenraum in seinen ursprünglichen Zustand – also wie vor Beginn der Baumaßnahme – wiederhergestellt.“
Selbst wenn wir uns anstrengen, fällt es uns doch sehr schwer, hier ein nachvollziehbares Motiv – geschweige denn eine Logik erkennen zu können – mit Ausnahme der Tatsache, dass ganz offensichtlich etwas um jeden Preis verhindert werden soll – und all das, ohne dabei Gründe zu nennen.

Liebe SPD Fraktion in Eimsbüttel,
ehrlich gesagt sind wir doch recht erstaunt darüber, dass sowohl euer Schulcluster-Antrag als auch euer nun überarbeiteter Antrag zur Wiederherstellung der Osterstraße nach den Fernwärme-Baustellen selbst nach dem letzten KGA letztlich die gleichen, veränderungsablehnenden Charaktere aufweisen.
Ihr möchtet kein Tempo 20, sondern Tempo 30 bei Erhalt der inzwischen jahrelang kritisierten, viel zu schmalen Schutzstreifen für Radverkehr.
Warum?
Ja, wir sind KURS FAHRRADSTADT und wir möchten grundsätzlich beste Wege für Radverkehr. Aber wir sind viel mehr als das und gerade in der Osterstraße geht es uns um so viel mehr als nur um Radwege!
Lasst die Verkehrsexperten:innen im Fachamt Management des öffentlichen Raums das machen, liebe SPD!
Die Osterstraße als wichtiges Zentrum für das Einkaufserlebnis in Eimsbüttel hat mehr verdient als Verkehr durchrauschen zu lassen. Anwohnende, Geschäftstreibende und die vielen Kund:innen profitieren vom verkehrsberuhigten Geschäftsbereich.
Geregelt wird der übrigens im Paragraph 45 der Straßenverkehrsordnung:
(1d) In zentralen städtischen Bereichen mit hohem Fußgängeraufkommen und überwiegender Aufenthaltsfunktion (verkehrsberuhigte Geschäftsbereiche) können auch Zonen-Geschwindigkeitsbeschränkungen von weniger als 30 km/h angeordnet werden.
Wir setzen uns weiter für die Osterstrasse mit ihren häufig noch inhabergeführten Geschäften ein. Das macht sie so besonders neben den sonst immer gleichen Ketten. Wir trinken lieber hier Kaffee und shoppen, statt in riesigen Malls! Lasst uns alle zusammen das Einkaufen und Verweilen mit entschleunigter Infrastruktur schöner machen!
Genau hier nämlich liegt der Schlüssel: Dies gelingt nur, wenn die Straße massiv an Attraktivität gewinnt und das setzt voraus, dass dort insgesamt wesentlich weniger Autos und noch viel besser, in Teilen auch gar keine Autos mehr fahren.
Wäre es nicht an der Zeit, es nach dem Ende der Baustellen wenigstens einmal zu versuchen mit den Vorschlägen der Verwaltung, also einer weiter verkehrsberuhigten Geschäftsstraße mit Tempo 20, vielleicht über einen definierten Zeitraum von ein oder zwei Jahren? Das sollte doch immer noch besser sein als einen im Grunde schon einmal gescheiterten Plan erneut in Erwägung zu ziehen.
Ob Tempo 50, 30 oder 20 – für die Attraktivität aus Geschäftsinhaber*in-Sicht dürfte es kaum einen Unterschied machen. Unserer Wahrnehmung nach stagniert die Osterstraße bestenfalls in ihrer Entwicklung – von einem Fortschritt hin zu mehr Attraktivität kann jedenfalls keine Rede sein. Die Tatsache, dass schon lange kaum mehr neue „richtige“ Geschäfte hinzukommen, stattdessen aber Kioske in ihr oder unmittelbarer Umgebung wie Pilze aus dem Boden schießen, spricht doch Bände. Andereseits würden Geschäfte von einer weiteren Beruhigung eher profitieren, wie es wissenschaftlich längst erwiesen und in der Realität vieler Großstädte längst belegt ist. Wir haben übrigens hier viel Informationsmaterial dazu zusammengestellt.

Allerdings spielt das eigene Auto im urbanen, städtischen Raum dabei schon lange nicht mehr die wichtigste Rolle, das gilt insbesondere auch für Einkaufsstraßen. Viel wichtiger sind Parkmöglichkeiten in der Nähe (die es bei Karstadt und unter der Karl Schneider Passage ausreichend gibt) ebenso wie ein guter hvv Anschluss. Dieser könnte sogar noch ausgebaut werden, indem der Buslinie 4 an der Schwenckestraße / Osterstraße ein zusätzlicher Halt gegeben wird. Das würde die Erreichbarkeit der Einkaufsstraße auch in der mittleren Lage erheblich verbessern.


Liebe SPD, es gibt nichts zu verlieren – aber sehr viel zu gewinnen! Wir würden uns sehr freuen, wenn ihr eure Anträge ein weiteres Mal zurücknehmt und dann so wieder ins Spiel bringt, dass Schulwege wirklich kompromisslos sicher werden (siehe Vorgehen in Paris oder die Haltung von Helsinki) und die Osterstraße zuversichtlich in die Zukunft blicken kann.
Update 24. und 25. April 2025
Die weitere Beruhigung der Osterstraße ist vom Tisch – der SPD Antrag, diese (bis auf gewünschtes Tempo 30) entgegen den Empfehlungen der Verwaltung wieder in den ursprünglichen Zustand zurückzuversetzen und Autos damit weiter durchrauschen zu lassen, wurde auf der Bezirksversammlung mehrheitlich angenommen. Armes Eimsbüttel.
Die Anträge zum Schulcluster wurden abermals auf der Bezirksversammlung vertagt und wandern nun voraussichtlich in den nächsten Ausschuss, der am 8. Mai tagt.
Eines der großen Probleme scheint zu sein, dass man nicht genau weiß, wie viele Parkplätze abgebaut werden müssten, wenn die verschiedenen Varianten für das Cluster umgesetzt werden würden. Gerade heute wurde auf Senatsebene der neue Rot-Grüne Koalitionsvertrag für die kommende Legislaturperiode in Hamburg vorgestellt.
Darin: Ein zunächst geltendes Moratorium für den Abbau weiterer Parkplätze in Gebieten mit hohem „Parkdruck“……………
Außerdem: Kein einziges Mal tauchen auf 148 Seiten die Begriffe „Vision Zero“ und „autoarm“ auf.
„Tempo 50 bleibt Regelgeschwindigkeit“ in der Stadt, wird ebenfalls vertraglich festgehalten. Das ist wie ein Freibrief für weiteres Töten schwacher Verkehrsteilnehmender – ohne Hinweis wie sonst an vielen Stellen, dass man sich im Bund für Anderes einsetzen wolle; unterschrieben auch von den Grünen.
Ambitioniert klingt jedenfalls anders. Das ist beinahe wie der Backlash in Berlin – trotz weiterhin grüner Behörde für Verkehr und Mobilitätswende. Im Gegensatz zur Hauptstadt wird es hier nur hanseatisch zurückhaltend formuliert.
All das läuft unter dem schönen Motto: „Hamburg vereint – mit Herz und Verstand.“
Nun denn. Wie man mit diesem „Verstand“ den gerade gestern veröffentlichten Unfallzahlen etwas entgegensetzen möchte, bleibt für uns schleierhaft. 441 Radfahrende verloren im Jahr 2024 ihr Leben auf deutschen Straßen – darunter auch viel zu viele in Hamburg.
Und was das Herz betrifft: Paris, die Stadt der Liebe, meint es im Gegensatz zu Hamburg ehrlich und geht mutig voran in Sachen Mobilitätswende und Parkplatzrückbau.
Warum kann Hamburg das nicht?
Wir werden weiter vieles zu tun haben hier!


Zum Schluss – passend zu den Protesten für sichere Schulwege – noch etwas anderes Schönes:
Im letzten Jahr erreichte uns eine interessante Anfrage eines Studenten von der Universität in Kassel. Er fragte uns, ob wir bereit wären, ihm ein Interview für seine anstehende Masterarbeit zu geben. In seinem besonderen Interesse standen dabei die Radwege auf der Elbchaussee, einer Straße, die uns von KURS FAHRRADSTADT bekannterweise sehr am Herzen liegt. Hier hatten und haben wir wir einiges an der Fahrradinfrastruktur zu kritisieren und waren auch dort zweimal mit Demonstrationen auf die Straße gegangen – unter anderem hatten wir dort bei einer Gelegenheit die Straße an der Elbe als Fahrradstraße erlebbar gemacht. Natürlich haben wir Felix sofort unsere Unterstützung zugesagt!
Felix interessierte sich dabei vor allem für die Protestformen, die wir gewählt hatten, unsere Erfahrungen dazu und natürlich was unserer Meinung nach das Ergebnis der Proteste dort gewesen ist. Nun, dass wir damit nicht glücklich waren und sind, wissen die meisten vermutlich.
Wir waren für ihn eines von insgesamt drei umfangreich durchleuchteten Fallbeispielen. Neben Hamburg (KURS FAHRRADSTADT) gesellen sich der Themenkomplex „Leipziger Promenadenring“ sowie der Radentscheid Frankfurt hinzu.
Herausgekommen ist eine sehr interessante Arbeit, in der es darum geht, was Städte und Kommunen von „Rad-Protesten“ lernen können und wie sie damit umgehen sollten. In einem 10-Punkte Policy-Paper fasst Felix zusammen, was er planenden Behörden in dieser Hinsicht empfiehlt – spannende Lektüre für alle, die Fahrradinfrastruktur politisch auf den Weg bringen möchten bzw. diese planerisch ausarbeiten.
Felix wollte dabei allerdings nicht nur mit denjenigen sprechen, die Proteste organisiert und auf die Straßen gebracht haben, sondern gleichzeitig darüber auch mit den in diesen drei Fällen davon betroffenen Plandenden ins Gespräch kommen, um die Proteste auch aus deren Sichtweise zu erforschen. Mit dem bei der Elbchaussee zuständigen LSBG hat dies leider nicht geklappt.
Wir danken Felix für sein Interesse an uns und dafür, dass wir euch seine Masterarbeit „Recht auf Rad?“ hier zum Download zur Verfügung stellen dürfen.
Auch wenn es uns an der Elbchaussee nicht gelungen ist, die erwünschte Wirkung zu erzielen, sind wir uns sehr sicher: Protest wirkt! Denn wer hätte vor nicht einmal einem Jahrzehnt jemals gedacht, was für durchaus tolle, sichere und neue Fahrradweg-Infrastruktur auf Hamburgs Straßen inzwischen möglich geworden ist? Und immerhin: Die ersten (wenn auch leider nicht durchgehenden) Copenhagen-Lanes Hamburgs sind trotzdem an der Elbchaussee entstanden.
Ob es Hamburg nun gelingt, wenigstens das bisher erreichte, teils gute Niveau der neuen Fahrradinfrastruktur fortzuführen?
Wir wünschen euch eine schöne Frühlingszeit! Es grüßt hoffnungsvoll das Team von
KURS FAHRRADSTADT.
Mobilitätswende für Hamburg unterstützen:





















3 replies on “Offen für Neues?!”
Danke für euren unermüdlichen Einsatz!
Mir persönlich liegen vor allem die sehr großen Straßen auf dem Magen. Kieler Str., Stresemannstr, Holstenstraße, natürlich auch die Elbchaussee. Grauenvoll, wenn man mit dem Fahrrad unterwegs ist! Aber natürlich auch für die Anwohnenden grauenvoll. Und ein Lärm- und Abgasdauerstress.
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[…] in unserem letzten Beitrag „Offen für Neues?“ sind wir kurz auf den neuen Koalitionsvertrag eingegangen, insbesondere auf das Moratorium für den […]
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[…] Maßnahme im Fuhlsbütteler Weg in Niendorf. Ebenfalls auf Eis liegt darum zur Zeit das Projekt „Schulcluster Eimsbüttel“. Stadtweit dürfte inzwischen viel mehr in der Warteschlange hängen und auf endgültige Urteile […]
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